Parteienforscher: Bürgerliches Lager aus Union und FDP ist "abgemeldet"

Die "altbürgerlichen Parteien" Union und FDP sind nach Ansicht des Parteienforschers Franz Walter "in der wirklichen bürgerlichen Lebenswelt von heute, in urbanen Regionen und Universitätsstädten etwa, abgemeldet".

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - In einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau" (Mittwochausgabe) sagte Walter, das sei der Grund dafür, dass die CDU "dramatisch hinter den sozio-strukturellen und historischen Möglichkeiten" der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bleibe. Rechnerisch habe sie ja in beiden Ländern "gar nicht so schlecht abgeschnitten". Im bürgerlichen Lager fehle es auch der FDP an Politikerfiguren: "Mit der jungen Garde - den Lindners, Röslers und Bahrs - verbindet sich kein Verlangen nach Konstanz, nach Kalkulierbarkeit."

Zur Atompolitik von Union und FDP sagte Walter, es dürfe nicht ihr Ziel sein, sich als Anti-Atom-Parteien neu zu erfinden. "Mit `Pro Atom` kann man inzwischen nur noch verlieren. Also muss man das Thema neutralisieren. Union und FDP müssen es von der Tagesordnung nehmen, damit es dem siegreichen Gegner nicht noch weiter nutzt. Das bietet dann auch die Chance, wieder andere Themen in die Diskussion zu bringen, bei denen man selbst besser aussieht. Union und FDP könnten zum Beispiel sagen, auch die Energiewende braucht wirtschaftliche Kompetenz."

Zum Erfolg der Grünen sagte Walter: "Sie haben mit ihrem ökologischen Ö das christliche C der alten Mitte ersetzt, aber mit ähnlicher Konnotation: bewahrend, vorsichtig gegenüber allzu rasanten Veränderungen. Das hat schon etwas Brillantes." Die neue Bürgerlichkeit, die ihre Sturm- und Drangzeit in den 70er Jahren gehabt habe, sei nun auch schon in die Jahre gekommen.

"Eine ganze Generation ist maßvoller geworden, vernünftiger, rundlicher. Genau dadurch konnten Politiker dieser Generation sogar konservative Grundmentalitäten beerben, die vor allem von der CDU sträflich ignoriert wurden. Das ist das Erfolgsgeheimnis der Grünen heute." Andererseits sieht Walter für die Ökopartei die Gefahr, ihre Wähler zu enttäuschen. Ihre Wählerschaft bestehe zu mindestens 50 Prozent aus Leuten, "die ganz offen bekennen, sich nicht für Politik zu interessieren. Die Heterogenität ihrer Anhängerschaft wird die Grünen zu extrem komplizierten Manövern zwingen. Das wird gerade die unpolitischen Wähler enttäuschen."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 30.03.2011

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