Ökonomen warnen vor Austritt Griechenlands aus Währungsunion

Führende deutsche Wirtschaftswissenschaftler warnen vor einem Austritt Griechenlands aus der Währungsunion.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Wenn die Drachme wieder eingeführt würde, stürmten die Griechen die Banken, um sich ihre Guthaben noch in Euro auszahlen zu lassen", sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank der Tageszeitung "Die Welt" (Montagausgabe). Einen solchen Ansturm hielte kein Bankensystem der Welt stand. "Die Wiedereinführung der Drachme wäre für Griechenland ökonomischer Selbstmord."

Ähnlich sieht es eine ganze Reihe von Experten, die von der "Welt" befragt wurden. Sie widersprechen damit Hans-Werner Sinn, dem Chef des Münchener Ifo-Instituts. Der hatte in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gesagt: "Der Austritt aus dem Euro wäre das kleinere Übel."

Wenn Griechenland aus dem Euro austräte, könnte es abwerten und wettbewerbsfähig werden. "Aber es gäbe freilich sofort einen Bank-Run, und die Banken wären pleite." Allerdings würde ein Bank-Run viele Milliarden Euro kosten, für die wiederum Europas Steuerzahler aufkommen müssten - ganz abgesehen von den Folgen, die ein Austritt der Griechen im gesamten Eurosystem (EWU) auslösen könnte.

Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, hält daher wenig von solchen Spekulationen. "Ich glaube, dass ein Austritt Griechenland zu einer EU- und EWU-Krise führen könnte", sagte er. Detailliert beschreibt er mögliche Auswirkungen: Staat und Bankensystem wären pleite.

"Von alle Finanzierung abgeschnitten würde die griechische Wirtschaft zusammenbrechen und die Arbeitslosigkeit in die Höhe schießen." Auch erwartet er für den Fall der Fälle eine Kapitalflucht aus dem Land. "Scharen von Griechen würde sich aufmachen, Jobs im Rest der EU zu suchen." Liebgewonnene Freiheiten innerhalb Europas wären gefährdet: Freizügigkeit und Binnenmarkt müssten eingeschränkt, wenn nicht sogar abgewickelt werden. Angesichts so einer Entwicklung würden Anleger in Portugal und Irland Angst bekommen. Ein Bank-Run wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit die Folge, glaubt auch Mayer - und nicht nur in Griechenland. "Vielleicht kämen sogar Spanien und Italien unter Druck." Das System der Europäischen Zentralbanken könnte kollabieren und somit der Euro. Vor einem Dominoeffekt, der die Euro-Zone und damit auch Deutschland erfassen könnte, warnt Thomas Straubhaar, Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschaftsinstituts (HWWI). Ein Austritt hätte den Bankrott Griechenlands zur Folge, weil die alten, in Euro eingegangenen Schulden, plötzlich mit einer Drachme bezahlt werden müssten, die "nichts wert wäre". Weil das unmöglich wäre, müssten die privaten Gläubiger ihre Forderungen gegenüber den Griechen total abschreiben. "Das wiederum hätte immense Auswirkungen auch auf Deutschland, weil dann auch andere deutsche Gläubiger ihre Guthaben vollständig abschreiben müssten." "Das könnte einen Dominoeffekt auslösen, der in seiner Wirkung dem Crash der US-Investmentbank Lehman Brothers nahekommen könnte." Die deutsche Wirtschaftsleistung war damals in Folge dieser Katastrophe um fünf Prozentpunkte eingebrochen. Bis heute hat sich in vielen Teilen der Welt - darunter auch den USA - das Wachstum davon nicht vollständig erholt. Straubhaar weist zwar auch darauf hin, dass so ein Schritt den Griechen nach einem "Ende mit Schrecken" einen "Neuanfang ermöglichen" könnte. "Aber höchst wahrscheinlich würde Griechenland auch aus der EU austreten müssen und damit alle Subventionen verlieren. Oder, wie ein Vertreter der schwarz-gelben Koalition es sagte, "damit wäre Griechenland plötzlich ein armes Land." Ohnehin werden die Anleger nach den Austrittsgerüchten vom Freitag zum Wochenanfang nervös sein. Die Kapitalmärkte werden jede Äußerung aus Brüssel oder anderen europäischen Hauptstädten analysieren, weil die Ansteckungsgefahr für andere Euro-Länder so groß ist. Würde die Regierung in Athen ernsthaft mit dieser Idee spielen, "würde sofort nachgeschaut, welche Banken wie stark in Griechenland engagiert sind", sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. "An den Kapitalmärkten könnte es zu erheblichen Verwerfungen kommen."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 08.05.2011

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