Zeitung: EZB-Präsident Trichet droht Klage vor Gericht der Europäischen Union

Im Zusammenhang mit der Finanzkrise droht dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, ein Prozess vor dem Gericht der Europäischen Union in Luxemburg.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Der Berliner Wirtschaftsjurist Markus C. Kerber will den obersten Währungshüter vor Gericht bringen, berichten die Tageszeitung "Die Welt" und "Welt Online". Als Grund für seine Klage führe Kerber an, Trichet habe in seiner Funktion als EZB-Chef eigenmächtig und in eklatanter Weise gegen die Verträge der Europäischen Union verstoßen und so die finanziellen Grundlagen der Euro-Länder sowie deren demokratische Ordnung und das Privateigentum der Bürger gefährdet. In einem persönlichen Brief habe Kerber Bundespräsident Christian Wulff aufgefordert, die Klage zu unterstützen.

Anlass für diesen Brief sei eine Rede Wulffs zur Eröffnung einer Tagung von Wirtschaftsnobelpreisträgern im August dieses Jahres. Darin hatte sich Wulff auffallend kritisch mit der Handlungsweise der EZB in der Krise auseinandergesetzt. "Ich halte den massiven Ankauf von Anleihen einzelner Staaten durch die Europäische Zentralbank für rechtlich bedenklich", sagte der Bundespräsident.

In seinem Brief an Wulff schreibt Kerber nach Angaben von "Welt" und "Welt Online": "Das Echo auf Ihre Äußerungen zeigt, dass Sie einen wunden Punkt angesprochen haben (…) Angesichts Ihrer auf der Lindauer-Tagung geäußerten Rechtsauffassung wäre es juristisch folgerichtig, sich unserer Klage anzuschließen." Nach Ansicht Kerbers ließ Trichet "sich maßgeblich auf Zuruf des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zum Rechtsbruch verleiten". Inhaltlich wirft er der EZB vor, ihre Pflicht zur Gewährleistung der Preisstabilität und ihre Pflicht zur politischen Unabhängigkeit zu missachten.

Die EZB habe den Wettbewerb verzerrt und dabei im Widerspruch zur offenen Markwirtschaft gemäß Artikel 127, Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gehandelt. Bereits im Mai dieses Jahres habe Kerber dem EZB-Präsidenten Trichet eine rechtliche Beurteilung der von ihm eingeleiteten und zu verantwortenden Maßnahmen zukommen lassen. Jetzt habe er Trichet erneut angeschrieben.

"Von der Überzeugung getragen, dass die (…) Kapitalmarktoperationen der EZB mit Art. 123 bis 125 AEUV unvereinbar sind, habe ich kraft Art. 263 AEUV Nichtigkeitsklage erhoben, in deren Folge auch Ihre persönliche Haftung gem. Art. 340 AEUV ausgelöst werden könnte", zitieren "Welt" und "Welt Online" aus dem Brief. Und weiter: "Mit diesem Akt bilde ich einen Brückenkopf zivilen Widerstands. Er wird von nun an dazu dienen, die Beurteilung Ihrer unheilvollen Politik in der breiten Öffentlichkeit zu organisieren und zwar noch, bevor die Geschichte Sie gebührend gerichtet haben wird."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 26.09.2011

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