"Spiegel": Bundesregierung zahlte wissentlich für Stasi-Spitzel

Die Bundesregierung hat der DDR Milliarden D-Mark gezahlt, damit sie politische Gefangene freiließ, die dann in den Westen ausreisen konnten.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Wie der "Spiegel" in seiner neuesten Ausgabe berichtet, wusste die Bonner Regierung, dass sie nicht nur Regimekritiker freikaufte, sondern auch Kriminelle und sogar Stasi-Spitzel. Das gehe aus bisher unbekannten Dokumenten des Bundesverfassungsschutzes und anderer westdeutscher Behörden hervor. Zwischen 1963 und 1989 kaufte Bonn insgesamt 31.775 Häftlinge aus DDR-Gefängnissen frei und zahlte mit Waren im Wert von 3,4 Milliarden Mark.

Die Bundesregierung wollte die Gefangenen aus humanitären Gründen befreien und ließ sich dabei von der DDR täuschen. Der Bundesverfassungsschutz berichtete 1968, manche aus DDR-Gefängnissen Entlassene "erschienen völlig undurchsichtig und zweifelhaft. Die tatsächliche Anzahl derjenigen, die früher für das MfS tätig waren, und derjenigen, die bei Entlassung einen Auftrag erhielten, liegt bestimmt höher als angegeben."

Manche Freigekaufte kehrten, kurz nachdem die Bundesregierung für sie gezahlt hatte, aus dem Westen in die DDR zurück. Dem SED-Regime gelang es, aus dem Häftlingsfreikauf ein Dauergeschäft zu machen. Ost-Berlin fälschte Häftlingslisten, in manchen Fällen zahlte die Bundesregierung sogar für Gefangene, die nur noch wenige Wochen in Haft gewesen wären, zum selben Satz von 40.000 Mark.

Frustriert berichtete der zuständige Direktor des Verfassungsschutzes über drei Aktionen zum Häftlingsfreikauf zwischen 1966 und 1968: "Unter den 717 Haftentlassenen (…) befanden sich nur noch 112 `politische Täter`." Der Bericht schloss mit der Einschätzung, dass die DDR "die humanitären Maßnahmen der Bundesregierung als willkommene Einnahmequelle nutzt". Bonn zog keine Konsequenzen, die Regierung wollte nicht riskieren, dass Ost-Berlin den Handel ganz aufkündigte.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 09.09.2012

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