Ökonom Fuest warnt vor "verlorenem Jahrzehnt" für Deutschland

Die Eurokrise wird Deutschland noch vor sehr harte Zeiten stellen, prognostiziert der Finanzwissenschaftler Clemens Fuest: "Ich glaube, wir stehen vor einem verlorenen Jahrzehnt mit sehr schwachem Wachstum", sagte Fuest der "Welt am Sonntag".

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Der Euro könne aber wahrscheinlich in verkleinerter Form überleben. "Griechenland wird vermutlich aussteigen müssen." Es gäbe keine einfache Lösung für die Eurokrise, so Fuest.

Ohne "gewaltige Kosten" könne Deutschland nicht aus der Krise kommen. "Schadenminimierend wäre meiner Meinung nach, die privaten Gläubiger stärker an den Kosten der Sanierung der Banken und Staaten zu beteiligen und den Euro deutlich abzuwerten." Nur so könne Europa die Schulden in den Griff bekommen und die Krisenländer wieder wettbewerbsfähig machen.

"Das wäre für deutsche Sparer sehr bitter, aber eine bessere Alternative sehe ich nicht." Für kontraproduktiv bewertete Fuest den Vorstoß von 172 Ökonomen, die im Juli zum Boykott der geplanten EU-Bankenunion aufgerufen hatten. Er habe sich dem Aufruf bewusst nicht angeschlossen, da er "diese Emotionalisierung der Debatte" für schädlich halte.

Der Appell der 172 Ökonomen sei "sachlich schief" gewesen. "Er suggerierte, wir stünden vor der Wahl, entweder den Krisenländern unser gutes Geld in den Rachen zu werfen oder darauf zu verzichten und eine Situationen mit stabilen Finanzen und stabilem Geld zu haben." So einfach sei die Welt nicht.

"Sollte Deutschland aus der Währungsunion aussteigen, droht uns ein großer Crash." Deutschland müsste sich auf massive Wohlstandsverluste einstellen, der Binnenmarkt könnte zusammenbrechen und das ganze europäische Projekt stünde auf dem Spiel. Clemens Fuest lehrt seit 2008 an der Universität Oxford. Im März 2013 wird er die Leitung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim übernehmen. Darüber hinaus berät er die Bundesregierung seit Jahren als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Finanzministeriums.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 02.09.2012

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