Ökonomen: 2013 wird verlorenes Reformjahr

Führende Ökonomen in Deutschland befürchten, dass die Reformpolitik hierzulande wegen der Bundestagswahl vollständig zum Erliegen kommt.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Ich fürchte nicht nur, dass 2013 ein verlorenes Reformjahr wird, sondern dass sich die Parteien mit Wahlversprechen gegenseitig überbieten, welche die sozialen Sicherungssysteme, den Bundeshaushalt, vor allem aber die deutsche Wirtschaft massiv belasten", sagte der Wirtschaftsweise Lars Feld "Handelsblatt-Online". "Es wäre also schon viel gewonnen, wenn man angesichts der Bundestagswahl nicht einen Weg in die falsche Richtung einschlägt und die mit den wirtschafts- und sozialpolitischen Reformen seit der Agenda 2010 erzielten Fortschritte zunichtemacht", fügte der Freiburger Ökonom hinzu. Dringend erforderlich sei eine entschlossenere Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in Deutschland und eine stärkere Ausrichtung der Sozialsysteme auf den demografischen Übergang.

Nach Einschätzung des Direktors am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Gustav Horn, wird die Wirtschaftspolitik 2013 durch Wahlkämpfe, die Eurokrise sowie die mögliche weltwirtschaftliche Schwäche ausgehend von den fiskalischen Problemen der USA geprägt sein. "Diese Kombination erzeugt Stillstand und Handlungsdruck zugleich", sagte Horn. Es sei aber auch eine Chance für eine grundsätzliche Auseinandersetzung über den Kurs der europäischen und insbesondere deutschen Wirtschaftspolitik.

"Deren bisherige Ausrichtung mit ihrer fortwährenden Beschwörung neoliberaler Reformen ist gescheitert", ist Horn überzeugt. "Es gilt nun, eine Wachstumspolitik zu betreiben, die auf Impulse für mehr und nicht für weniger Ausgaben bei der breiten Mehrheit der Bevölkerung in ganz Europa setzt." Unabdingbar seien daher ein Ende des Austeritätskurses in den Krisenländern und kräftigere Lohnsteigerungen im Rest des Euroraums.

"Das wären die wahren Reformen für 2013", unterstrich der IMK-Chef. Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, sieht in der derzeitigen Stärke der deutschen Wirtschaft das eigentliche Risiko für den Reformelan der Politik. "Unser politisches Problem ist schon unabhängig vom Wahljahr die Tatsache, dass es uns wirtschaftlich gut geht", sagte Hüther "Handelsblatt-Online".

"Das verleitet einerseits zum Nichtstun, denn Reformen sind politisch mühsam und kosten Zuspruch, und andererseits zur Neigung, verteilungspolitische Ziele in den Vordergrund zu stellen." Tatsächlich lebe Deutschland wirtschaftspolitisch von den Anstrengungen früherer Jahre, etwa der Agenda 2010. Zugleich seien wichtige Bedingungen des bisherigen Erfolges gefährdet. Als wesentliche Stichworte nannte Hüther Fachkräfteengpässe, Widerstand gegen Infrastrukturprojekte, Missmanagement der Energiewende, Regulierungswildwuchs in der Finanzwirtschaft, etwa die Gefährdung des langfristigen Kredits als traditionellem Kern der Unternehmensfinanzierung durch Liquiditätsregulierung in Basel III. Deshalb gehe es 2013 um "zentrale Weichenstellungen" bei diesen Themen, betonte der IW-Chef. "Sollte das unterbleiben und stattdessen die Weichen in Richtung Steuererhöhung und erneuter Verkrustung des Arbeitsmarktes gestellt werden, dann wird 2013 dereinst als Jahr der Wende zum Schlechteren firmieren", fügte Hüther hinzu. "Nichtstun ist also genauso schlimm, wie das Falsche zu tun."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 03.01.2013

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