Ökonomen kritisieren geplanten Staatsanleiheankauf durch die EZB

Führende Ökonomen in Deutschland haben den geplanten Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) scharf kritisiert: "Ein massiver Ankauf von Staatspapieren durch die EZB mag als die Rettung für den Euro erscheinen. Für viele Mitgliedsstaaten wäre so ein Programm zumindest ein bequemer Ausweg, und die Zeit für mögliche Alternativen läuft ab", sagte Kai Konrad, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium der "Welt am Sonntag" (Erscheinungstag: 11.01.). "Mittel- und langfristig gefährdet die EZB damit aber den Euro und opfert sich am Ende selbst", warnte er. Die Vorbereitungen für ein solches Programm zum Ankauf von Staatsanleihen, im Fachjargon "Quantitative Easing", kurz QE genannt, laufen bei der EZB mittlerweile auf Hochtouren.

Beobachter rechnen damit, dass die umstrittene Maßnahme bereits auf der nächsten Sitzung des EZB-Rats am 22. Januar beschlossen werden könnte. Sorge bereitet vielen Währungshütern vor allem die extrem niedrige Inflationsrate im Euroraum. Diese war im Dezember auf minus 0,2 Prozent gefallen, den tiefsten Wert seit mehr als fünf Jahren.

Ein breit angelegter Ankauf von Staatsanleihen soll dabei helfen, die Gefahr einer Deflation für die Eurozone abzuwenden. Für den früheren EZB-Chefökonomen Jürgen Stark ist das genau der falsche Weg. "Manche halten ein QE-Programm für eine Art Atomwaffe der Geldpolitik, für eine der schärfsten Waffen überhaupt. Wirksam ist dieses Instrument aber nur im Kampf gegen eine echte Deflation. Es gegen die europäische Misere einzusetzen, wie es die EZB nun plant, bringt hingegen überhaupt nichts, sondern schürt nur noch die Unsicherheiten und Instabilitäten", sagte er. Stark hatte die EZB Ende 2011 aus Protest über den geldpolitischen Kurs verlassen.

Umstritten ist unter Ökonomen vor allem, wie nah die Währungsunion der gefährlichen Deflation tatsächlich schon ist - und wie groß damit der Handlungsdruck für die EZB. "Man muss sich schon die Ursachen anschauen, warum die Preise fallen", sagte Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. "Wenn Energiepreise sinken, ist das für die Gesamtwirtschaft keine schädliche, sondern gute Deflation. Dann steht mehr Kaufkraft für andere Zwecke zur Verfügung, das fördert den Konsum und damit letztlich das Wachstum." Beträchtlich sind aus Sicht der Experten indes die Nebenwirkungen. Die EZB laufe Gefahr, künftig in noch mehr politische Krisen hineingezogen zu werden, warnte Elga Bartsch, Europa-Chefökonomin der Investmentbank Morgan Stanley. "Der Ruf der EZB als unabhängige Zentralbank könnte so beschädigt werden." Allerdings kann die EZB aus Sicht der Experten mittlerweile kaum noch zurück. "Mario Draghi hat sich mit seinen Zusagen sehr weit aus dem Fenster gelehnt und die EZB unter Zugzwang gesetzt. Wenn die EZB jetzt wieder zurückrudert, riskiert sie ihre Glaubwürdigkeit", sagte Stark. Aus seiner Sicht führt an einem QE-Programm in Europa daher kein Weg mehr vorbei. "Auch wenn es kurzfristig überhaupt nichts bringen und langfristig eher schaden wird."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 11.01.2015

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