Ökonomen warnen nach Zypern-Entscheidung vor Bank-Run in Euro-Krisenstaaten

Ökonomen in Deutschland sehen die Beteiligung von Bankkunden am Rettungspaket für Zypern mit großer Sorge.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Dies ist ein riskantes Manöver mit ungewissem Ausgang", sagte der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, "Handelsblatt-Online". Einerseits sei es fair und für die Mehrheitsfindung in den nationalen Parlamenten richtig, die von der Euro-Gruppe beschlossene Zwangsabgabe für sämtliche Kunden zyprischer Banken zu erheben. "Andererseits kann dies die Einleger in allen Krisenländern verschrecken und zum Räumen ihrer Konten veranlassen."

Das würde nach Einschätzung Horns eine Bankenkrise auslösen, die nur durch "massive Interventionen" der Europäischen Zentralbank (EZB) zu beenden wäre. Kritisch sieht die Sonderabgabe für Bankkunden auch Thorsten Polleit, Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance & Management. "Die Maßnahme muss bei allen, die Sparguthaben bei Euro-Banken halten, begründetes Misstrauen heraufbeschwören, vor allem deshalb, weil die Politik ganz offensichtlich bereit ist, geltendes Recht zu verletzen, um der Überschuldungskrise zu begegnen", sagte Polleit "Handelsblatt-Online".

"Jeder Investor im Euro-Raum sollte die Maßnahme in Zypern als Warnschuss begreifen", fügte er hinzu. Denn: "Die Euro-Überschuldungskrise wird aller Voraussicht nach auf weitere Schuldenschnitte, Geldentwertung oder – und das erscheint am wahrscheinlichsten – eine Kombination aus beidem hinauslaufen." Der Wormser Wirtschaftsprofessor Max Otte hält die Zypern-Vereinbarungen für weitgehend wirkungslos im Kampf gegen die Geldwäsche in dem Inselstaat.

"Zypern hat eindeutig kriminellen Machenschaften Beihilfe geleistet", sagte Otte "Handelsblatt-Online". "Hier ist eine einmalige Gebühr zwar besser als nichts, es wird aber russische Mafioso nicht davon abhalten, weiter Geldwäsche zu tätigen." Besser wäre aus Sicht Ottes ein "eindeutiges Compliance-Regime" gewesen, wie es jetzt schon in der Schweiz umgesetzt werde.

"Ein modernes Ablassregime erfüllt den Zweck nicht", sagte er. Polleit nannte es bedenklich, dass die Zypern-Entscheidungen ganz offensichtlich nicht der nationale Souverän getroffen habe, sondern ein "internationaler Regierungsverbund", der nicht die Interessen der national Betroffenen im Auge habe. "Das kann dauerhaft kein gangbarer Weg zur Krisenbewältigung sein." Horn schlug Alternativen zu der Zwangsabgabe vor: "Es wäre besser gewesen, keine Kundenabgabe, sondern eine Bankenabgabe zu beschließen, die nach deren erfolgreicher Rettung fällig wäre", sagte der IMK-Chef. Ebenso hätte der zypriotische Staat oder der permanente Euro-Rettungsschirm ESM sich Eigentumsanteile an den Banken in Höhe des Rettungsbetrages geben lassen sollen, um nach einem Erfolg der Maßnahmen davon zu profitieren. Dann könnten die Staatsschulden entsprechend zurückgeführt werden. "So bleiben erneut – wie schon im Fall Griechenland – eine gebrochene Garantie und erhöhte Unsicherheit als unerwünschte Nebenwirkungen. Und der Staat zahlt", so Horn. Nach Ansicht von Polleit hätte man zumindest die Bankverbindlichkeiten in Form von Sparguthaben in Eigenkapitalanteile der Banken umwandeln können. "So wäre den Sparern zumindest noch ein Anteil an der Bank geblieben", sagte er. Überdies wären in einer funktionierenden Rechtsordnung die Verluste der Banken ohnehin zunächst von ihren Eigentümern zu tragen. Die Politik, die für Zypern vorgesehen sei, lasse nun aber zuallererst "Privatkunden zur Ader – also diejenigen, die sich am wenigsten zur Wehr setzen können und die wohl auch die geringste Verantwortung tragen für die Misswirtschaft im Finanzsektor". Die Profiteure seien hingegen zum einen die Eigentümer der Banken, "denn die Herabsetzung der Depositenguthaben der Kunden bedeutet bilanziell eine Mehrung des Eigenkapitals der Banken". Zum anderen seien es die Halter von Bankschuldverschreibungen. Ihnen würden Verluste erspart.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 18.03.2013

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