Ökonomen widersprechen Röslers Einlassungen zur EZB

Ökonomen in Deutschland haben der Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) widersprochen, wonach die Europäische Zentralbank (EZB) sich auch an das Gründungsversprechen bei der Einführung des Euro halte und "keine Haftung für die Schulden anderer übernommen" werde.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Die Interventionspolitik der EZB hat die Auswirkung, dass die Anleihen der Krisenstaaten immer mehr zu den Banken der Krisenstaaten wandern, die sich dann bei der EZB refinanzieren", sagte der Wormser Wirtschaftsprofessor Max Otte "Handelsblatt-Online". "Damit findet eine Desintegration des Finanzmarktes statt, und eine Aufspaltung der Euro-Zone wird gleichsam erleichtert oder vorbereitet." Dasselbe gelte dann, wenn die EZB die Staatsanleihen halte.

Davon zu sprechen, dass Deutschland keine Haftung übernehme, sei falsch, unterstrich Otte. "Da eine komplette Rückzahlung der Schulden unmöglich ist, wird Deutschland im Fall einer Aufsplitterung der Euro-Zone mithelfen müssen, die EZB zu rekapitalisieren." Anders als Rösler hat die EZB nach Einschätzung Ottes längst ihr Mandat überschritten.

"Rösler ist Politiker und versucht sich einmal mehr in der Quadratur des Kreises, obwohl das bislang noch niemand geschafft hat", sagte der Ökonom. "Natürlich beschränkt sich die EZB nicht darauf, die Geldwertstabilität zu sichern, sondern greift massiv in die Haushalts- und Finanzpolitik der Staaten ein." Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, sieht Deutschland bereits als Teil einer Haftungsgemeinschaft, sollte die EZB ihre Krisenpolitik weiter fortsetzen.

Das wäre dann auch für den Fortbestand der Euro-Zone misslich. "Dies droht aber nicht nur durch Euro-Bonds oder einen Schuldentilgungsfonds, sondern ebenso durch umfassende Interventionen der EZB in den Sekundärmärkten für Staatsanleihen", sagte Hüther "Handelsblatt-Online". Denn anders als die US-Notenbank Fed und die Bank of England kaufe sie ja nicht die Papiere des Zentralstaats, sondern einzelner Mitglieder, die offenkundig Liquiditäts- oder gar Solvenzprobleme hätten.

"Die damit verbundenen Verlustrisiken werden von allen Notenbanken getragen", unterstrich der IW-Chef. Insofern löse die EZB automatisch Verteilungseffekte aus. "Das ist nichts anderes als eine Haftungsunion, mit dem Unterschied, dass der deutsche Akteur – anders als beim Rettungsschirm ESM – keine Sperrminorität hat und das Parlament keinerlei Vetorecht." Hüther warnte daher die Politik, in der Griechenland-Frage ein Exempel zu statuieren, in der Hoffnung sich "einen schlanken Fuß machen" zu können und zu meinen, dass die EZB alles abfedern und richten könne. "Das ist eine Illusion."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 31.08.2012

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