Bericht: Sicherheitsrisiken bei 65.000 deutschen Luftfrachtversendern

Bei vielen sogenannten "Bekannten Versendern" kommt es Medienberichten zufolge zu eklatanten Verstößen gegen Sicherheitsauflagen.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Wie das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" meldet, lägen Videoaufnahmen vor, auf denen Unbefugte in Frachtbereiche mehrerer Produktionsbetriebe vordringen, die als "Bekannte Versender" gelten. Als sicher geltende Luftfracht könnte somit manipuliert werden. Hintergrund ist eine Übergangsregelung des Luftfahrt-Bundesamtes.

Bis zum 25. März 2013 dürfen Firmen mit einer einfachen "Sicherheitserklärung" (Formular des Luftfahrt-Bundesamtes) als sogenannte "Bekannte Versender" Luftfracht verschicken, ohne dass die Fracht durchleuchtet werden muss und ohne dass die Sicherheitskonzepte dieser Firmen überprüft werden müssen. Diese Regelung entspricht den Vorgaben der EU-Kommission (VO (EG) Nr. 820/2008).

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, sagte gegenüber "Report Mainz" nach Sichtung der Videoaufnahmen: "Hier werden Sicherheitslücken geschaffen, die so groß sind wie Scheunentore. Für Polizisten und Sicherheitsexperten einfach unfassbar." Bis zum 28. April 2010 konnte praktisch jeder Luftfrachtversender "Bekannter Versender" werden ohne Überprüfung durch das Luftfahrt-Bundesamt.

Voraussetzung war lediglich die Unterzeichnung einer Sicherheitserklärung, in der die Firma gegenüber dem Transportunternehmen ("Reglementierter Beauftragter") bestätigt, dass Luftfracht "vor unbefugten Zugriffen geschützt" wird, dass die Sendungen in "sicheren Betriebsräumen" vorbereitet werden und dass die "Verpackung von Luftfrachtsendungen (...) manipulationssicher" ist. Firmen, die nach dem 28. April 2010 den Status "Bekannter Versender" beantragen, werden vom Luftfahrt-Bundesamt überprüft und müssen ein Sicherheitskonzept vorlegen. Für die "Altfälle" gilt die Übergangsfrist.

Gegenüber "Report Mainz" nennt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Jan Mücke (FDP) erstmals die Anzahl der Firmen, die die Übergangsfrist nutzen: "Im Moment sind es ca. 65.000 Unternehmen, die ein Produkt herstellen und die das in die sogenannte `sichere Lieferkette` einbringen sollen." 65.000 Unternehmen haben sich also vor dem Stichtag im April 2010 als "Bekannte Versender" registrieren lassen. Zu der Kritik, dass die sogenannte "sichere Lieferkette" also in der Übergangszeit vor allem auf dem Vertrauen gegenüber den Unternehmen basiere, sagt Staatsekretär Jan Mücke in "Report Mainz": "Deshalb ist es ja eine Übergangszeit und nach dieser Übergangszeit müssen alle dieses Konzept der sicheren Kette einhalten." Die Deutsche Polizeigewerkschaft hält das für einen inakzeptablen Zustand. Ihr Vorsitzender Rainer Wendt in "Report Mainz": "Wir können unmöglich eine Nachricht an Al Qaida schicken und sagen, lasst euch mal drei, vier Jahre Zeit mit Eurem Anschlag, bis wir sicherheitstechnisch so weit sind. Deshalb darf es da gar keine Übergangszeiten geben. Wir müssen jetzt, und zwar sehr schnell, auf europäischer Ebene ein vernünftiges System installieren." Auch der Sprecher der Vereinigung Cockpit, Jörg Handwerg, reagiert auf die Recherchen von "Report Mainz" besorgt: "Wir sehen darin ganz klar ein Gefahrenpotential. Wir denken, da muss dringend nachgebessert werden. Wenn man schon die Verantwortung auf Betriebe verlagert, dann muss es hier auch eine strikte Kontrolle geben."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 08.11.2010

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