Bundesregierung will die Justiz mit Mediationsgesetz entlasten

Das deutsche Gerichts- und Rechtswesen soll von der Bundesregierung durch ein sogenanntes Mediationsgesetz entlastet werden.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Damit stehe die deutsche Justiz vor der vielleicht wichtigsten Neuerung seit 1879. Damals wurde die Zivilprozessordnung eingeführt, die bis heute das Grundmuster für den Ablauf von Gerichtsverfahren darstellt, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Seitdem enden Rechtsstreitigkeiten überwiegend durch Urteile, die von den Kontrahenten erstritten werden. Ein Mediationsgesetz soll nun die Basis für eine friedliche Erledigung von Streitigkeiten schaffen.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat den Entwurf eines Mediationsgesetzes ausarbeiten lassen, der an diesem Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedet wird. Diese Mediation ist ein Verfahren, bei dem sich die streitenden Parteien mit Hilfe eines professionellen Vermittlers, des Mediators, freiwillig und friedlich einigen sollen. Solche Mediationsverfahren sind im Bereich aller Gerichtszweige vorgesehen, ausgenommen im Strafrecht.

Die Bundesjustizministerin sagte der "Süddeutschen Zeitung", die Mediation biete die Chance, Konflikte "wirklich zu lösen und nicht nur zu entscheiden". Sinnvoll sei die Mediation gerade dort, "wo es nicht darum geht, einen Streit irgendwie zu klären, sondern wo die Parteien auch hinterher noch miteinander auskommen müssen: in Familien, bei langjährigen Geschäftspartnern oder unter Nachbarn, überall dort, wo es emotional wird". Das neue Gesetz ist für alle Formen solcher Schlichtung offen: Sie kann ganz unabhängig von einem Gerichtsverfahren durchgeführt werden, aber auch während eines schon laufenden Verfahrens.

Der Mediator soll eine Art Konfliktbereinigungshelfer sein, der mit den Kontrahenten so redet, dass sie selbst zu einer friedlichen Lösung kommen. Die Bundesjustizministerin sagt von der deutschen Justiz: Sie sei zwar "überlebensfähig, aber deutlich belastet". Die Entlastung der Justiz, Deutschland hat die höchste Richterdichte weltweit und trotzdem langsame Verfahren, könnte also ein Nebeneffekt des neuen Rechts sein.

Gleichwohl geht es der Ministerin nicht in erster Linie um die Gerichte. "Mediation soll zuvorderst Menschen entlasten, nicht die Justiz", sagte sie. Die Hälfte der Bundesländer habe in den vergangenen zehn Jahren schon mit Schlichtungs- und Mediationsverfahren experimentiert und gute Erfahrungen gemacht, berichtet die Zeitung. Die Bundesstatistik Gerichtsmediation hat für 2009 die Zahlen von acht Bundesländern erfasst, die zwar sehr niedrig sind, aber hohe Erfolgsquoten haben: Im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit gab es 4.543 Mediationen, bei den Verwaltungsgerichten 301, bei den Sozialgerichten 43, bei den Arbeitsgerichten 37 solcher Schlichtungen. Die Erfolgsquoten liegen zwischen 53 und 74 Prozent. Die Zahl der Mediationsverfahren macht derzeit nur ein winziges Promille der Rechtsstreitigkeiten aus. Die Bundesjustizministerin erhofft sich vom neuen Mediationsgesetz einen Schub. Gute Erfahrungen habe man vor allem im Zivilrecht gemacht, "bei der Wirtschaft genauso wie bei Privatpersonen". Auch im Streit mit der Verwaltung sei oft eine Mediation möglich. "Wenn diese Erfahrungen Schule machen, kann Justitia ihr Schwert in Zukunft immer öfter zu Hause lassen", meinte Leutheusser-Schnarrenberger. Kritisiert wird von Fachleuten, dass es zwar eine Prozesskostenhilfe, aber keine Mediationskostenhilfe gibt. Das gilt als Fehlsteuerung, weil die vermögenslose Partei keinen Anreiz habe, sich außergerichtlich zu einigen. Die Länder können, müssen aber keine Finanzhilfe für die Schlichtung geben. Die Justizministerin kündigte an, dieses Problem nach den ersten Erfahrungen mit dem neuen Gesetz zu prüfen.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 12.01.2011

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