Bundeswehr-Generalinspekteur: Nur 50 Prozent Einsatzbereitschaft

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, sieht bei der Einsatzbereitschaft der Waffensysteme, vor allem bei den fliegenden, erheblichen Verbesserungsbedarf.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Wieker sagte "Bild am Sonntag": "Die Tornados, Eurofighter und Transportflugzeuge weisen eine Einsatzbereitschaft von rund 50 Prozent aus. Bei den Hubschraubern ist die Lage immer noch unbefriedigend. Auch deswegen werden wir in den nächsten Jahren mit etwa 5,6 Milliarden Euro massiv in Verbesserungen der Einsatzbereitschaft investieren. Viele der rund 650 eingeleiteten Maßnahmen sind allerdings langfristig und werden erst 2017 nachhaltig Wirkung entfalten." Besser ist die Lage laut Wieker bei Heer und Marine: "Bei den Landsystemen, also vom Kampfpanzer bis zum geschützten Transportfahrzeug, haben wir die Einsatzfähigkeit verbessern können. Auch bei Schiffen und U-Booten erreichen wir eine Einsatzfähigkeit von 70 Prozent."

In einem Bericht über die Einsatzbereitschaft der Waffensysteme, den die Inspekteure von Heer, Marine und Luftwaffe am Mittwoch vor dem Verteidigungsausschuss des Bundestages präsentieren müssen und der "Bild am Sonntag" vorliegt, werden die konkreten Mängel der 50 Hauptwaffensysteme der Bundeswehr aufgelistet. Für den Bericht wurde eine neue Messmethode angewandt. Es wird für jedes der Hauptwaffensysteme nicht nur der Gesamt-, sondern auch der Verfügungsbestand angegeben.

In dieser neuen Kategorie werden alle Geräte, die zur Erprobung an eine wehrtechnische Dienststelle oder die Industrie abgegeben wurden oder sich in einem Depot zur umfangreichen Instandsetzung befinden, herausgerechnet. Der Verfügungsbestand umfasst nur Geräte, die der Truppe für Ausbildung, Übungen und Einsätze zur Verfügung stehen. Generalinspekteur Wieker hat angewiesen, dass davon "70 Prozent im täglichen Dienst nutzbar sein" sollen.

Der Bericht enthüllt, dass es bei der Einsatzbereitschaft in diesem Jahr weiter massive Mängel gibt. Besonders betroffen ist die Luftwaffe. Von den 114 Kampfjets Eurofighter sind 40 Prozent zur Aufrüstung bei der Industrie, nur 68 Maschinen stehen der Luftwaffe zur Verfügung. Davon waren im Schnitt nur rund 55 Prozent (38 Jets) einsatzbereit. Von den 50 Transportfliegern Transall standen der Luftwaffe 37 zur Verfügung, flugbereit waren lediglich 21 Maschinen. Von den 93 Tornados standen 66 Kampfflieger der Luftwaffe zur Verfügung, davon waren aber lediglich 44 Prozent einsatzbereit (29 Flugzeuge). Grund sind fehlende Ersatzteile. Auf den Tornado-Einsatz in Syrien hat dies nach den Worten von Generalinspekteur Wieker aber keinerlei Auswirkung: "Für diesen Einsatz werden wir 4 bis 6 Tornados durchhaltefähig bereitstellen können, um sie überlappend einzusetzen." Das Heer hat bei seiner Einsatzbereitschaft besondere Probleme mit den Hubschraubern. Von den insgesamt 40 Transporthubschraubern NH90 flogen im Schnitt nur fünf Stück. Das entspricht einer Einsatzbereitschaft von 22 Prozent. Gründe sind fehlende Ersatzteile und zu wenig Wartungskapazitäten. Vom Hubschrauber Tiger gibt es insgesamt 43 Stück, davon 23 im Verfügungsbestand des Heeres. Davon flogen aber nur sieben. Das ist eine Einsatzbereitschaft von 26 Prozent. Auch hier fehlen laut Bericht Personal und Ersatzteile. Gebessert hat sich die Lage beim Boxer. Von den 200 Transportpanzern standen dem Heer in diesem Jahr 120 zur Verfügung, von denen waren durchschnittlich 23 defekt, 77 einsatzbereit. Zufrieden ist der Inspekteur mit der Einsatzbereitschaft des Kampfpanzers Leopard 2. Die Bundeswehr hat 244 Stück, davon standen 170 zur Verfügung, 126 waren tatsächlich einsatzbereit (74 Prozent). Bei der Marine ist vor allem die Situation bei den Hubschraubern hochkritisch. Beim Bordhubschrauber Sea King MK 41 (insgesamt 21 Stück) sind in diesem Jahr nur drei bis höchstens fünf einsatzbereit gewesen. Für Einsatz und Ausbildung braucht die Marine aber mindestens sechs funktionierende Sea Kings. Die gleiche Lage herrscht beim Bordhubschrauber Sea Lynx MK 88A. Von 22 Maschinen waren 2015 im Schnitt nur vier einsatzbereit. "Dieser Wert liegt deutlich unterhalb des erforderlichen operativen Minimalbedarfs von sechs Luftfahrzeugen", heißt es im Bericht. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter verlangt von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eine nachhaltige Verbesserung. Er sagte "Bild am Sonntag": "Die Ministerin muss dieses Chaos endlich beenden. Immer neue Ankündigungen zur Erneuerung des Beschaffungswesens reichen hier nicht aus. Manchmal frage ich mich, wie viel Luft und wie viel Waffe in unserer Luftwaffe stecken."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 29.11.2015

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