Bundeswehrverbands-Chef: Es gibt kein Zurück zur Wehrpflicht

Ein Jahr nach dem Aussetzen der Wehrpflicht sieht der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes keine Möglichkeit mehr, den allgemeinen Pflichtdienst noch einmal zu reaktivieren.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Ich sehe kein Zurück, der Zug ist abgefahren", sagte Oberst Ulrich Kirsch der Tageszeitung "Die Welt" (Freitagausgabe). Es gebe zwar weiterhin ein Wehrpflichtgesetz, das diese Möglichkeit vorsehe. "Faktisch war die Aussetzung aber die Abschaffung", sagte Kirsch.

Die Bilanz der Soldatengewerkschaft nach zwölf Monaten Freiwilligendienst laute: "Nicht schlecht. Aber ausbaufähig." Die Bewerberzahlen seien zwar erfreulich, sagte Kirsch.

Es gehe aber um mehr als nur die reine Zahl. "Freiwillige Wehrdienstleistende haben den Anspruch, bei uns hervorragend ausgebildet zu werden, sie wollen modernere Unterkünfte", sagte der Verbandschef. "Da ist noch viel zu tun."

Auch intern sei die Anerkennung durch Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) steigerungsfähig. "Ich könnte mir vorstellen, dass sich die freiwillig Wehrdienstleistenden freuen würden, wenn der Minister auch mal Danke sagt." Er persönlich sei sehr traurig gewesen, dass die Wehrpflicht weggebrochen wurde, sagte Kirsch der "Welt" weiter.

"Ganz besonders hat mich die Art und Weise geschmerzt, diese Beerdigung zweiter Klasse." Dass selbst auf den Parteitagen der Union nicht mehr darüber debattiert wurde, sei eine Gabe des ehemaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gewesen: "Er konnte die Leute so schwindlig reden, dass keiner mehr Widerstand leistete", sagte Kirsch. Auch die Kanzlerin habe eine Debatte verweigert. Dabei habe der Bundespräsident gerade wieder gefordert, dass die Debatte über die Bundeswehr in der Mitte der Gesellschaft stattfinden müsse. "Bei der Wehrpflicht ist sie nicht einmal in der politischen Klasse richtig geführt worden", kritisierte der Vorsitzende des Interessenverbands mit rund 200.000 Mitgliedern. Engagement der Bundesregierung vermisst Kirsch auch bei der laufenden Bundeswehrreform. "Das Kümmern der Kanzlerin war schon schlechter", räumte der Oberst ein. Er habe immer wieder gefordert, "dass Frau Merkel die Bundeswehrreform zur Chefsache machen muss. Das hat sie nicht ausreichend getan". An den ehemaligen Verteidigungsminister hat der Verbandsvorsitzende "zwiespältige Erinnerungen". "Einerseits war Karl-Theodor zu Guttenberg ein Kurzzeit-Minister, der kein wohlbestelltes Haus hinterlassen hat", sagte Kirsch. Anderseits habe er die Auslandseinsätze in das Bewusstsein der Menschen gebracht. "Viele Soldaten haben mich gebeten: Halten Sie den Minister, das ist der erste, der sich um uns kümmert!" Er selbst habe unlängst eine "nette Karte" von Guttenberg bekommen. "Er hat geschrieben, dass er weiterhin mit hohem Interesse die Aktivitäten des Deutschen Bundeswehrverbandes von der Ferne aus beobachtet und Sympathie dafür hat."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 28.06.2012

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