Camerons EU-Pläne alarmieren Ökonomen

Führende Ökonomen in Deutschland fürchten massive Nachteile für Europa, sollte Großbritannien die Europäische Union (EU) verlassen.

London (dts Nachrichtenagentur) - "Ohne die Briten in der EU wäre Deutschland wirtschaftspolitisch noch isolierter, Europa würde weniger marktwirtschaftlich, was die Wirtschaftskraft Europas langfristig schwächen würde", sagte der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, "Handelsblatt-Online". Der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier, erwartet unabhängig davon, ob Großbritannien nun die EU verlässt oder nicht, "recht zeitnah" Konsequenzen: Die Unsicherheiten über den Ausgang des Referendums und über die künftigen rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen Großbritanniens zur EU würden steigen, sagte Bielmeier "Handelsblatt-Online". "Internationale Unternehmen, die Großbritannien bislang als Brückenkopf für den Zugang zum Binnenmarkt genutzt haben, werden dies bei ihren Standortentscheidungen sicherlich berücksichtigen und sich mit Investitionen in Großbritannien in Zukunft deutlich zurückhalten."

In der gegenwärtigen, ohnehin schon äußerst labilen wirtschaftlichen Situation Großbritanniens werde dies "die konjunkturelle Erholung belasten". Auch Deutschland würde aus Sicht Bielmeiers Nachteile durch einen Briten-Austritt erleiden. Auf politischer Ebene dürfte sich zwar die europäische Integration ohne Großbritannien als "Bremsklotz" schneller vollziehen.

"Jedoch dürfte die Stellung Deutschlands innerhalb der EU geschwächt werden, da die strukturelle Mehrheit für einer Lastenverteilung ohne ausreichende Kontrollmöglichkeiten steigen würde", sagte der Ökonom. Der Verbleib Großbritanniens in der EU sei "für beide Seiten vorteilhaft", sagte auch der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, im Gespräch mit "Handelsblatt-Online". Die EU bleibe dadurch marktfreundlicher und wettbewerbsfähiger.

Zudem hätten die Briten große Vorteile durch den Binnenmarkt, den die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher mit betrieben habe. "Bei einem Austritt würden also beide Seiten verlieren", warnte Hüther. Die Rolle der Londoner City würde geschmälert, wenn auch nicht grundsätzlich, da sie außerhalb der Euro-Zone liege.

Der IW-Chef hofft daher, dass die Vorbehalte Londons noch ausgeräumt werden können. "Positiv wäre es, wenn die Verhandlungen zu einem investitionsorientierten, weniger agrarlastigen EU-Haushalt führen", sagte Hüther.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 23.01.2013

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