Cap-Anamur-Gründer: Syrische Flüchtlinge wie Boatpeople aus Vietnam

Rupert Neudeck, der Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur, vergleicht die erfolgreiche Integration der Vietnamesen mit den heutigen Flüchtlingen aus Syrien.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Die Vietnamesen seien "mittelständisch orientiert und bildungshungrig" gewesen. "Das sind die Syrer auch. Sie werden unsere zweiten Vietnamesen werden", sagte Neudeck im Gespräch mit der "Welt".

Man dürfe sie nicht ins Asyl zwängen und gleich arbeiten lassen, sagte der prominente Flüchtlingshelfer weiter, der Anfang der 80er-Jahre mehr als 10.000 vietnamesische Boatpeople nach Deutschland gebracht hatte. Neudeck warnte vor dem Scheitern Europas. "Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass Europa einfach so zusammenbricht", sagte Neudeck.

Die Kernländer sollten handeln, wo die Ost- und Südeuropäer versagen. "Um das System EU zu retten, braucht es eine gemeinsame Flüchtlingspolitik, statt zehn Hilfskonferenzen abzuhalten." Neudeck kritisierte falsche Anreize, die besonders Familien vom Balkan anlockten.

"Man darf die Menschen, christlich gesagt, nicht in Versuchung bringen." Und weiter: "Jemand, der hierher flieht und die Leistungen des deutschen Staates und des Steuerzahlers beansprucht, muss dafür auch etwas geben. Deutschkurse sind nicht Angebote, das sind Verpflichtungen."

Helferorganisationen zeigten "zu viel Rührseligkeit", die deutsche Politik sei zu "karitativ". "Wer hierher kommt, verlangt durchaus zu Recht, dass er menschenwürdig behandelt wird, aber nicht, dass er gleich mit allem ausgerüstet und bezahlt wird. Das haben wir damals, als wir aus dem Osten kamen, auch nicht getan. Wenn ich höre, dass anerkannte Asylbewerber gleich auf Hartz-IV-Level gehoben werden, dann ist das System falsch." Deutschland habe mit seinem Asylparagrafen ein "Totalzugangsrecht gemacht, das auf der ganzen Welt verstanden wird, weshalb die Menschen unterwegs schon lernen, was die Deutschen gerne hören". Neudecks Sorgen richteten sich vor allem aber auf Afrika. "Das dicke Ende kommt noch", sagte er der "Welt". Europa müsse endlich die einzelnen Länder Afrikas ernster nehmen und mit ihnen kooperieren, statt auf sie "wie Menschen dritter Klasse herunterzuschauen". Junge Afrikaner benötigten Ausbildung und Berufe, um sie in ihren Ländern zu halten.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 21.09.2015

Zur Startseite