Chefökonom von Goldman Sachs warnt EZB vor zu früher Zinserhöhung

Der Chefvolkswirt der US-Investmentbank Goldman Sachs, Jan Hatzius, warnt die Europäische Zentralbank (EZB) davor, die Zinsen zu früh anzuheben.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Die Zinserhöhung könnte zu früh kommen, besonders die Arbeitslosigkeit ist in Europa noch sehr hoch", sagte Hatzius in einem Interview der Tageszeitung "Die Welt" (Montagausgabe). Die EZB hatte angedeutet, am kommenden Donnerstag erstmals seit Ausbruch der Finanzkrise die Zinsen wieder anheben zu wollen. Die unterschiedliche Geldpolitik in Europa und den USA könnte die Ausfuhren für die Euro-Krisenstaaten verteuern, weil der Eurokurs steigt.

"Wir gehen schon davon aus, dass man auf den Währungsmärkten Auswirkungen sieht. Der Euro-Kurs dürfte innerhalb der nächsten zwölf Monate auf 1,50 Euro steigen", sagte Hatzius. Trotz der lockeren Geldpolitik sieht Hatzius keine Inflationsgefahren aufziehen.

"Die Inflationsgefahr in den Industrieländern ist immer noch relativ gering." In den USA liege sie ohne Nahrungsmittel- und Energiepreise bei rund einem Prozent. Sowohl in den USA als auch in Europa lägen viele Produktionskapazitäten brach, sagte der Finanzexperte.

"Das spricht gegen einen hohen Inflationsdruck." Die Eurokrise sei trotz aller Bemühungen noch lange nicht überwunden, glaubt der erste deutsche Chefökonom von Goldman Sachs: "Es gibt Fortschritte, aber die Eurokrise wird uns noch Jahre begleiten, fürchte ich." Insbesondere Griechenland werde es schwer haben, seine Schuldenkrise in den Griff zu bekommen.

"Die Ausgangsposition war, was den Schuldenstand angeht, bereits sehr schwierig. Eine Umschuldung zu einem späteren Zeitpunkt bleibt daher ein wahrscheinliches Szenario", sagte Hatzius der Zeitung. Den Aufschwung der Weltwirtschaft sieht der Ökonom trotz der Krisen in Japan, Libyen und Europa noch nicht in Gefahr. "Die Risiken sind durch die verschiedenen Krisen sicherlich gestiegen. Die rein wirtschaftliche Situation ist aber weiterhin gut", sagte Hatzius. So könnten die USA "vor einigen guten Jahren stehen". Das Potentialwachstum der US-Wirtschaft liege immer noch bei 2,5 bis drei Prozent, und damit erheblich über der europäischen Rate, so Hatzius. Die Bevölkerung wachse, die Nachfrageschwäche werde langsam überwunden. Auch die deutsche Wirtschaft könnte weiter kräftig wachsen, wenn der globale Aufschwung anhalte. "Was in Deutschland bislang gefehlt hat, war ein stärkerer Konsum. Aber hier deuten die Anzeichen mittlerweile auch auf eine nachhaltige Erholung hin", sagte Hatzius.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 03.04.2011

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