DGB-Chef Hoffmann: Schengen-Aus wäre ein Desaster

Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, hat vor einer Abschottung der EU-Staaten in der Flüchtlingspolitik gewarnt.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Es wäre ein Desaster, wenn die europäische Freizügigkeit unter die Räder käme und Schengen fallen würde", sagte Hoffmann dem "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe). Bei einer hoch integrierten Wirtschaft in Europa mit Just-in-time-Produktion wären Wartezeiten von fünf, sieben oder neun Stunden an den innereuropäischen Grenzen "Gift", sagte der DGB-Chef. "Die offenen Binnengrenzen sind die Lebensadern der europäischen Wirtschaft. Die dürfen nicht verstopft werden." Gleichzeitig stellte sich Hoffmann hinter Angela Merkel (CDU): "Ich habe absoluten Respekt vor der Haltung der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik", sagte der DGB-Chef. Er sieht die Schuld für die Probleme in der europäischen Flüchtlingspolitik allerdings auch bei der Bundesregierung.

Deutschland habe Griechenland und Italien lange mit dem Flüchtlingsproblem allein gelassen – in der Hoffnung, dass die Asylbewerber nach den Regeln des Dublin-Abkommens ja eigentlich dort bleiben müssten. Das räche sich nun, da Dublin tot sei. Außerdem zahle Deutschland nun "den Preis für eine falsche Krisenpolitik, die wir den Südeuropäern in den vergangenen Jahren aufgezwungen haben", glaubt Hoffmann.

Es sei zwar keine gute europäische Gepflogenheit, aber "nachvollziehbar", dass viele Staaten nun sagten: "Ihr habt uns ökonomisch dermaßen in die Knie gezwungen, wenn ihr da keine Kurskorrektur vornehmt, werden wir große Probleme haben, unseren Teil zur Lösung der Flüchtlingskrise beizutragen", betonte der Gewerkschafter. Hoffmann wandte sich zudem gegen Pläne, den Bezug von Sozialleistungen für EU-Ausländer einzuschränken. "Ich halte das nicht für zielführend", sagte er.

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will gegen den sogenannten Sozialtourismus vorgehen. Denkbar ist, dass man erst ein Jahr in die Sozialkassen einzahlen muss, bevor man Leistungen bekommt. Bei der Debatte geht es vor allem um Menschen aus Bulgarien und Rumänien. "Das Ziel muss sein, dass die Menschen dort unter würdigen Bedingungen arbeiten und leben können", forderte Hoffmann. "Da muss man eher das europäische Investitionsprogramm aufstocken, damit Menschen nicht aus Not ihre Heimat verlassen müssen, anstatt mit der Freizügigkeit ein europäisches Grundrecht infrage zu stellen."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 21.01.2016

Zur Startseite