DIW-Ökonom sieht Schuldenschnitt für Griechenland als unausweichlich

Nach Einschätzung des Forschungsdirektors für Internationale Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Ansgar Belke, führt an einem Schuldenschnitt für Griechenland trotz des Widerstands aus Deutschland kein Weg vorbei.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Diese Überzeugung äußerte Belke, der zugleich der Direktor des Instituts für Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft (IBES) an der Universität Duisburg-Essen ist, am Montag gegenüber "Handelsblatt-Online". "Griechenland wird mindestens bis nach der Bundestagswahl, etwa bis 2014, weiter finanziell gestützt und dann dem ohnehin notwendigen Schuldenschnitt oder sogar dem Euro-Austritt ausgesetzt", so der Ökonom. Denn das Ziel der Schuldentragfähigkeit gerate immer mehr außer Kontrolle.

"Spätestens 2014 wäre dann das nächste Hilfspaket mit weiteren, immer weiter steigenden Milliardenkrediten erforderlich oder es kommt eben doch zum nächsten Schuldenschnitt." Die Folgen: "Je länger mit einem Schuldenschnitt gewartet wird, umso höher werden die mittlerweile sicher eintretenden Kosten für Deutschland sein", warnt Belke. Für Deutschland wäre die Belastung bei einem 50-Prozent-Schuldenschnitt nach Belkes Einschätzung derzeit überschaubar.

Der DIW-Experte geht von Kosten für Deutschland in Höhe von 22 Milliarden Euro aus. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel wäre dieser Betrag aber wohl zu hoch, um ihn vor der Wahl der Wählerschaft schmackhaft machen zu wollen, fügte Belke hinzu. "Zudem dürfte ein Schuldenschnitt anschließende weitere Kredite haushaltsrechtlich ausschließen; diese Flexibilität dürfte sich die deutsche Regierung aber bewahren wollen", sagte der DIW-Experte.

Vor diesem Hintergrund rechnet Belke daher eher damit, dass die Politik zu einem "sanften Schuldenschnitt" mit Laufzeitverlängerungen und Zinssenkungen – einer Verringerung des Aufschlags von derzeit 150 Basispunkten auf 50 Basispunkte - bei den Rettungskrediten tendiere. "Auch könnte die EZB Buchgewinne aus Geschäften mit griechischen Anleihen über die nationalen Notenbanken an Griechenland transferieren", fügte der Forscher hinzu. Gegen diese Optionen wehre sich die EZB aber, da sie Griechenanleihen im Bestand hält und beides unter die Kategorie Schuldenerlass und folglich einer direkten Finanzierung des griechischen Staates falle und ihr juristisch nicht gestattet sei.

"Es bleibt abzuwarten, ob ihre politische Abhängigkeit schon so groß geworden ist, dass sie auch hier gegenüber den Regierungen einknickt", sagte Belke. Daher sei, sagte der Ökonom weiter, wohl erst einmal ein "drittes Rettungspaket" wahrscheinlich, welches die in den kommenden zwei Jahren klaffende Finanzierungslücke in Höhe von 13,5 Milliarden Euro noch einmal schließen könne. "Damit würden die Euro-Staaten die Politik seit Mai 2010 fortsetzen und das Problem immer weiter in die Zukunft verschieben", sagte der DIW-Experte.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 19.11.2012

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