DIW-Konjunkturchef fordert Lockerung des Spardrucks in Euro-Krisenländern

Der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Ferdinand Fichtner, hat die Bundesregierung davor gewarnt, den Bogen im Umgang mit den Krisenländern zu überspannen.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Fichtner sprach sich stattdessen dafür aus, den Spardruck auf klamme Euro-Staaten wie Griechenland zu lockern: "Ein sozialer Ausgleich und gegebenenfalls eine maßvollere Konsolidierung der Staatsfinanzen könnte in diesem Sinne tatsächlich die langfristig bessere Lösung sein", sagte der DIW-Ökonom "Handelsblatt-Online". "Dabei muss aber klar sein: An einem Strukturwandel zulasten der in der Vergangenheit mit Krediten künstlich aufgeblähten Sektoren werden die Krisenländer nicht vorbeikommen." So seien klassische Konjunkturprogramme zur Schaffung einer künstlichen Nachfrage nach Produkten, die ansonsten keiner haben wolle, in einer solchen Situation "das falscheste Rezept", unterstrich Fichtner.

"Das weiß man aber auch in Paris, Madrid oder Rom, selbst wenn dies in den jüngsten politischen Entwicklungen nicht unbedingt deutlich wird." Fichtner äußerte Verständnis für die teils harschen Reaktionen der Krisenländer an der strikten Sparhaltung Deutschlands. "Im Grunde ist es doch nachvollziehbar, dass die Regierungen in den Krisenländern den schwarzen Peter lieber der deutschen Bundesregierung zuschieben als selbst den Kopf hinzuhalten für die ohne Zweifel ungünstigen realwirtschaftlichen Entwicklungen in Folge der Sparbemühungen", sagte er.

"Die deutsche Bundesregierung muss aufpassen, nicht noch weiter in die Ecke des Buhmanns in Europa gestellt zu werden." Fichtner hält die Forderung nach Sparbemühungen zwar weiterhin für berechtigt. Doch wäre es aus seiner Sicht ein Fehler, die sozialen und politischen Folgen der sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Entwicklung zu ignorieren.

"Dass ein unbedingtes Pochen auf die Sparprogramme ohne Berücksichtigung der politischen und sozialen Folgen auch nicht die Lösung sein kann, zeigt doch gerade das Beispiel Griechenland", gab der DIW-Experte zu bedenken. "Die Radikalisierung der Bevölkerung und nunmehr auch der im Parlament vertretenen Parteien dürfte die Refinanzierung der griechischen Regierung über die Kapitalmärkte ausgesprochen erschweren." Griechenland werde also auch trotz oder sogar wegen der Sparanstrengungen bis auf weiteres am Tropf der Rettungsschirme hängen.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 08.05.2012

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