Digitalisierung: Wirtschaftsressort zweifelt an Merkels Jobprognose

Das Bundeswirtschaftsministerium stellt die Zusage von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Frage, die Digitalisierung schaffe unter dem Strich mehr neue Arbeitsplätze als durch den Einsatz von Robotern und neuen Technologien verloren gehen.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Der Saldo aus neu entstehenden und wegfallenden Arbeitsplätzen durch Digitalisierung sei wegen der Vielzahl von Einflussfaktoren und möglichen Zukunftsentwicklungen "nur unter bestimmten Bedingungen abschätzbar", erklärte Wirtschaftsstaatssekretär Uwe Beckmeyer auf eine schriftliche Anfrage der Grünen, berichtet die "Welt am Sonntag". "Prognosen für die Entwicklung des Arbeitsmarktes sind angesichts dieses noch recht jungen Trends mit großen Unsicherheiten verbunden", heißt es demnach in Beckmeyers Antwort. Die besonderen Folgen der Digitalisierung abzuschätzen, dürfte noch schwieriger sein, als herkömmliche Arbeitsmarktprognosen abzugeben, da politisch beeinflussbare Faktoren wie Wirtschaftsförderung und Bildungsmöglichkeiten mitwirkten, heiße es aus dem Wirtschaftsressort.

Selbst eine detaillierte Analyse im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums habe keine Einzeleffekte auf den künftigen Arbeitsmarkt vorhersagen können. So könne es im Übergang durchaus zu einer negativen Bilanz kommen, schreibt der SPD-Politiker Beckmeyer der Zeitung zufolge. Die historische Rückschau zeige aber, dass technologische Innovationen in der Gesamtbilanz langfristig zum Beschäftigungsaufbau geführt hätten.

Damit sieht das Wirtschaftsressort von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) keine belastbaren Belege für eines der zentralen Zukunftsversprechen der Bundeskanzlerin. Merkel hatte am 4. Dezember auf einem internationalen Kongress zur Digitalisierung in Berlin gesagt: "Auf jeden Fall erfordert eine Prosperität Europas eine positive Einstellung zu den technischen Möglichkeiten der digitalen Welt, denn hier werden weit mehr Jobs entstehen, als Jobs wegfallen durch Digitalisierung in der klassischen Wirtschaft." Die Jobzusage war damals von den Nachrichtenagenturen aufgegriffen worden und findet sich bis heute als eine der wichtigsten Botschaften des Auftritts auf der offiziellen Internet-Seite der Bundesregierung.

"Die Bundeskanzlerin verspricht blühende Landschaften für alle und ignoriert damit die Realität", kritisiert der Grünen-Wirtschaftsexperte Dieter Janecek, der in seiner schriftlichen Anfrage an das Wirtschaftsressort wissen wollte, auf welche Daten sich Merkel mit ihrem Jobversprechen gestützt hatte. "Intelligente Technik droht den Arbeitsmarkt zu spalten in diejenigen mit den hoch bezahlten Jobs, die dem Computer Befehle geben, und eine breite Schar an Niedriglöhnern, die die Befehle erhalten." Leistungsfähige Algorithmen hätten bereits begonnen, ganze Berufsfelder wie Statistiker, Bahnschaffner und Steuerberater zu verdrängen.

"Die Bundesregierung schweigt diese Herausforderungen lieber tot, anstatt sich damit auseinanderzusetzen."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 18.01.2015

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