Ehemaliger US-Senator: Gemeinsam mit Russland in Syrien gegen Chemiewaffen intervenieren

Der ehemalige republikanische US-Senator Richard Lugar schlägt in einem Interview mit der "Welt" eine gemeinsame Intervention der USA und Russlands in Syrien vor, um den Einsatz und die Verbreitung von Chemiewaffen zu verhindern.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Die Vereinigten Staaten und Russland hätten viel Erfahrung in der wechselseitigen Vernichtung ihrer Chemiewaffenarsenale. "Darum sollten wir, das ist mein Vorschlag, zusammen mit Russland nach Syrien hineingehen, die Chemiewaffen sicherstellen und zerstören", sagte Lugar, der bis zum Januar dieses Jahres insgesamt 36 Jahre im US-Senat vertreten war, davon zwölf als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Eine solche Mission könnte auch während des Bürgerkrieges in Syrien stattfinden, sagte Lugar: "Der Bürgerkrieg könnte sich zu einem lang anhaltenden Konflikt entwickeln. Es wäre problematisch zu warten, bis er aufhört." Ein darüber hinaus gehendes militärisches Engagement der USA in Syrien lehnt Lugar ab: "Die USA könnten sich von ihrem militärischen Potenzial her erneut engagieren wie wir das im Irak oder in Afghanistan taten. Wir könnten erneut versuchen, die verfeindeten Parteien, von der sunnitischen Mehrheit über die bislang regierende alawitische Minderheit bis zu Schiiten und Christen, zusammen zu bringen und Demokratie und Infrastruktur zu entwickeln. Aber das wäre wohl keine weise Entscheidung." Ein Engagement könne der Glaubwürdigkeit der USA mehr schaden als Tatenlosigkeit: "Es wirkt gewissenlos zuzusehen, wenn Menschen einander töten. Aber das Dilemma ist, dass die Menschen dort aufeinander schießen, weil sie aufeinander schießen wollen. Keine Militäraktion könnte das stoppen, fürchte ich." Auch eine Flugverbotszone lehnt Lugar ab, sie brächte amerikanische Piloten in Gefahr. Angesichts des geringen Spielraums Washingtons im Syrien-Konflikt hält Lugar die von Präsident Barack Obama gezogene "rote Linie" beim Einsatz von Chemiewaffen in Syrien für einen Fehler - Obama habe sich wahrscheinlich unter Druck gesetzt gefühlt durch Äußerungen oppositioneller Politiker wie dem republikanischen Senator John McCain.

Stattdessen spricht sich Lugar dafür aus, gemeinsam mit den Vereinten Nationen und einigen europäischen Staaten zu versuchen, die Katastrophe zu mildern. Auch im Falle des Iran und der Sorge, das Land arbeite an der Entwicklung von Atomwaffen, setzt Lugar zunächst auf Zurückhaltung - nicht zuletzt wegen der Erfahrungen mit dem Irak, wo nach dem Einmarsch keine Massenvernichtungswaffen gefunden wurden. Lugar ist zuversichtlich, dass auch ohne militärisches Eingreifen Bewegung in den Atomstreit mit dem Mullah-Regime kommt: "Es sind ja nicht nur Sanktionen. Hinzu kommt die bevorstehende Präsidentenwahl (am 14. Juni). Ich glaube keineswegs, dass deren Ergebnis alles ändern wird. Aber wir haben bei der vorigen Wahl gesehen, wie die Menschen auf die Straßen drängten, was im Internet los war und in den sozialen Netzwerken. Derartige Aktivitäten könnten diesmal zu einem tatsächlichen Wandel in der Politik führen." Zudem habe es erfolgreiche Cyber-Attacken gegeben, um das Atomprogramm zumindest zu verzögern. Lugar: "Es könnte weitere geheimdienstliche Operationen geben, die keinen massiven Truppeneinsatz erfordern."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 22.05.2013

Zur Startseite