Empörung nach Berichten über Merkel-Überwachung

Nach Berichten über eine mögliche Überwachung des Mobiltelefons von Kanzlerin Angela Merkel durch US-Geheimdienste gibt es eine ganz große Koalition der Empörung: Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien haben sich kritisch geäußert.

Berlin/Washington (dts Nachrichtenagentur) - CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte der "Welt": "Sollte sich der Vorwurf bestätigen, wäre das ein gewaltiger Vertrauensbruch und eine schwere Belastung für die Beziehung zwischen Deutschland und den USA." Gerade die Bundesregierung habe sehr zurückhaltend auf die Snowden-Veröffentlichungen reagiert und alles dafür getan, dass es nicht zum Eklat komme. "Nun erhärtet sich der Verdacht, dass nicht nur die Grundrechte der Bürger, sondern auch die der Kanzlerin gebrochen wurden."

Die USA müssten die in den vergangenen Monaten aufgekommenen Vorwürfe umfassend aufklären. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, sagte der "Mitteldeutschen Zeitung": "Dass der wichtigste Verbündete unsere Regierungschefin abhört, ist indiskutabel. Das muss Konsequenzen haben. Mit dem Einbestellen des amerikanischen Botschafters wird es nicht getan sein." SPD-Innenexperte Michael Hartmann erklärte gegenüber der "Welt", vieles spreche dafür spreche, dass die Daten von Merkels Handy überwacht wurden: "Das sprengt alle Dimensionen", sagte Hartmann. Die USA müssten nun im Detail aufklären, damit das Verhältnis zwischen beiden Staaten nicht maßgeblich gestört werde.

"Die USA laufen Gefahr, ihr Gesicht zu verlieren", sagte Hartmann, der davon ausgeht, dass sich das Parlamentarische Kontrollgremium in der kommenden Woche mit dem Vorgang beschäftigen wird. Der Chef der SPD in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, sagte dem "Handelsblatt": "Die Ausspähung von Kommunikationsdaten deutscher Politiker, aber auch anderer Bürger durch den amerikanischen Geheimdienst wäre in jeder Hinsicht skandalös und in keiner Weise akzeptabel", sagte das SPD-Bundesvorstandsmitglied "Handelsblatt-Online". Indirekt kritisierte Stegner Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), der stets erklärt hat, es gebe keine Hinweise auf US-Spähaktionen in Deutschland.

"Der Vorgang zeigt, dass die ganze Angelegenheit keineswegs erledigt ist", sagte Stegner. Die Grünen haben im Zusammenhang mit der angeblichen Überwachung des Mobiltelefons von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durch US-Geheimdienste die Bundesregierung scharf attackiert: "Es ist schon skandalös, dass die Regierung im Verlauf der gesamten NSA-Affäre beschwichtigt und vernebelt hat, jetzt aber, da es um die Vertraulichkeit der Kommunikation der Kanzlerin geht, ruft Merkel in eigener Sache den amerikanischen Präsidenten an und empört sich", sagte der Innenexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, "Handelsblatt-Online". "Das ist zweierlei Maß und offenbart, dass die Bundesregierung das Ausmaß dieser Kernschmelze des Rechtsstaats erst begreift, wenn sie persönlich betroffen ist." Auch der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, erhob schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung. "Die Tatsache, dass die Regierung so einen ungeheuerlichen Spitzelverdacht plausibel findet, ist Beweis dafür, dass alle Beschwichtigungen nur Wahlkampfrhetorik waren", sagte Riexinger "Handelsblatt-Online". Auch im Kanzleramt glaube man offenbar inzwischen, dass "die amerikanischen Schnüffelexperten" keine Grenze akzeptierten. "Allein der Verdacht beschädigt die Substanz der deutsch-amerikanischen Beziehungen", unterstrich der Linke-Chef. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bundestag unter diesen Bedingungen wirklich erst Ende November wieder tagt. Jetzt haben viele vieles aufzuklären, auf beiden Seiten des Atlantiks." Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, reagierte hingegen zurückhaltend auf den neuesten Vorwurf gegen die NSA: "Bis heute sind ausschließlich Behauptungen, Gerüchte oder technische Möglichkeiten diskutiert worden." Protokolle von illegal abgehörten Telefonaten oder Mails seien jedoch nicht aufgetaucht. "Deshalb hat die USA als unser Freund und Partner die gleiche Unschuldsvermutung verdient wie jeder kleine oder große Ganove, bis zum Beweis des Gegenteils", sagte Wendt.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 23.10.2013

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