FDP-Präsidiumsmitglied fordert "Verschnaufpause" beim Umbau der EU

Der Vorsitzende der hessischen FDP, Jörg-Uwe Hahn, hat in der Debatte um eine Volksabstimmung über die deutsche EU-Politik vor zu schnellem Vorgehen gewarnt.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Nach Euro-Plus-Pakt, Fiskalpakt und Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) sei es an der Zeit, "eine integrationspolitische Verschnaufpause einzulegen", schreibt das FDP-Präsidiumsmitglied in einem Gastbeitrag für "Handelsblatt-Online". Die in den letzten Jahren geschaffenen Instrumente erfüllten ihren Zweck, die Haushalts- und Finanzkrise einzudämmen. "Bei den aktuellen Ideen einer darüber hinaus gehenden Integration hat man allerdings das Gefühl, dass Einigen das Ende der Krise zu schnell naht."

Schließlich habe sie "als Integrationskatalysator gute Dienste geleistet". Dabei habe das bisherige Integrationstempo bereits "unbewältigte Schwierigkeiten" mit sich gebracht, gibt Hahn zu bedenken. Bundestag und Bundesrat würden schlicht überfordert.

"Die nationalen Parlamente sind schon heute kaum mehr in der Lage die einzelnen Vertragsänderungen in einer angemessenen Zeit zu beraten", beklagt Hahn, der auch hessischer Vize-Ministerpräsident ist. Und er fügt hinzu: "Ohne die Chance, auch einmal Nein zu sagen, verkommen Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte ohnehin zu einem demokratietheoretischen Placebo." Die Folge sei die Verlagerung der Diskussion auf die Parteigremien, wie etwa der Mitgliederentscheid der Liberalen zum ESM zeige, aber auch das knappe Ergebnis des kleinen Parteitages der Grünen vom Wochenende.

Hahn warnt vor den Folgen: "Was aussieht wie eine Revitalisierung des ursprünglichen Verfassungskonzeptes, bei dem die Parteien bei der politischen Meinungsbildung mitwirken, ist in Wirklichkeit der Knock-Out der parlamentarischen Demokratie." Hahn hält daher nichts von den Vorschlägen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der sich dafür ausgesprochen hatte, mehr Kompetenzen nach Brüssel abzugeben und dies durch eine Stärkung des Europaparlaments und eine Volksabstimmung demokratisch zu legitimieren. "Das Europäische Parlament stärken und ihm ein Initiativrecht geben, wird das unbehagliche Gefühl beim Bürger nicht verbessern. Auch in der Demokratie gibt es eine Ordnungspolitik. Es sollten immer diejenigen federführend entscheiden, die diese Entscheidung später vor dem eignen Wähler zu verantworten haben", betont Hahn. Das FDP-Präsidiumsmitglied schlägt stattdessen vor, den eigenen föderalen Aufbau in Bezug auf die Angelegenheiten der Europäischen Union gründlich zu überdenken. "Eine Idee wäre, die Europaausschüsse von Bundestag und Bundesrat zusammenzulegen", schreibt Hahn. "Auch wenn partiell unterschiedliche Interessenlagen und Mitwirkungsrechte vorliegen, sollte man insbesondere einen Gedanken nicht vernachlässigen: Die Länder verfügen mit ihren Landesministerien und Staatskanzleien über ein erhebliches Prüfpotential. Auch komplexe Vorlagen können kurzfristig und in administrativer Professionalität behandelt, auf seine finanziellen Auswirkungen hin untersucht und mit den Landtagen und Kommunen abgestimmt werden." Bevor man also weitere Kompetenzen an das Europäische Parlament verlagere, solle man zunächst "die originären Volksvertreter stärker in die Pflicht nehmen".

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 27.06.2012

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