Forderungen nach Zuwanderungsstopp weiter in der Kritik

Arbeitgeberverbände und Arbeitsmarktexperten kritisieren Forderungen aus der Union, mit Blick auf den Fachkräftemangel vorrangig inländische Arbeitslose zu qualifizieren.

Deutschland/Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sagte der Tageszeitung "Die Welt" (Dienstagausgabe), es sei der notwendigen Willkommensmentalität gegenüber ausländischen Fachkräften nicht zuträglich, wenn Ängste vor "Zuwanderung aus fremden Kulturkreisen" geschürt und der Eindruck erweckt wird, diese würden bei uns als billige Arbeitskräfte angesehen. Selbst auf dem Höhepunkt der Krise hätten Zehntausende Ingenieure und andere technische Fachkräfte gefehlt, so die BDA. "Hier muss es gelingen, sofort bereits qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen. Dafür brauchen die Unternehmen auch bessere Möglichkeiten, die jetzt dringend benötigten Experten gezielt im Ausland anzuwerben."

Hans-Peter Klös, Arbeitsmarktexperte am Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) sagte der Zeitung: "Es ist ein großer Fehler, Arbeitslose und Zuwanderer gegeneinander auszuspielen." DIHK-Präsident Hans-Heinrich Driftmann sagte der "Welt", die deutschen Unternehmen wollten zwar in erster Linie die Potenziale der Arbeitskräfte hier in Deutschland heben. Aber um dem zunehmenden Fachkräftemangel hierzulande zu begegnen, werde dies allein nicht ausreichen.

Zwölf Prozent der Unternehmen hielten laut einer Umfrage gezielte Zuwanderung für notwendig, um künftig ihren Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern zu decken. Die BDA teilte mit, dass zwar die Vermittlung und gezielte Förderung von Arbeitslosen deutlich verbessert werden müsse. "Dies allein reicht aber nicht aus. 70 Prozent aller Betriebe haben Probleme bei der Besetzung freier Stellen", hieß es. Auch Arbeitsmarktexperten halten die Unionsforderungen für nicht umsetzbar. "Die Erfolge der bisherigen staatlichen Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose waren eher bescheiden", sagte Friedhelm Pfeiffer vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

"Außerdem ist es kaum möglich und auch aus ökonomischer Sicht nicht sinnvoll, alle Langzeitarbeitslosen mit staatlichen Mitteln zu hochqualifizierten Facharbeitern, etwa Ingenieuren oder Naturwissenschaftlern, zu entwickeln", sagt Pfeiffer. Auch Klös zweifelt daran, dass die Arbeitskräftenachfrage aus dem Pool der Arbeitslosen bedient werden kann. "Stattdessen brauchen wir eine gesteuerte Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften. Ihre Wertschöpfung trägt dazu bei, dass mehr Jobs für Geringqualifizierte und Arbeitslose entstehen." Die Arbeitskräftelücke in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Berufen betrug im September dem IW Köln zufolge 75.500. Diese Lücke werde weiter steigen. Vergleiche man die Jahrgänge der 5- bis 15-Jährigen mit den 40- bis 55-Jährigen, werden aufgrund der niedrigen Geburtenraten in Zukunft 4,1 Millionen Arbeitskräfte fehlen, so das Institut.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 18.10.2010

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