Früherer Verfassungsgerichtspräsident Papier warnt Politik vor neuem NPD-Verbotsverfahren

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat den Umgang der Politik mit der Frage eines neuen NPD-Verbotsverfahrens scharf kritisiert.

Karlsruhe (dts Nachrichtenagentur) - "Meine Befürchtung ist, dass sich die Politik für einen neuen NPD-Verbotsantrag entscheidet, ohne vorher die Erfolgsaussichten genau zu prüfen", sagte Papier der Tageszeitung "Die Welt". Die Politik sei dabei, wieder in eine "unsägliche Falle" hineinzulaufen, so der Staatsrechtswissenschaftler. In einem Verbotsverfahren müsse bewiesen werden können, dass "die Partei als solche die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpft", betonte der einstige Gerichtspräsident.

"Die NPD - und nicht nur einer ihrer Funktionäre - müsste in diese mörderischen Anschläge in irgendeiner Form verwickelt sein." Dieser Nachweis werde nicht einfach zu erbringen sein, so Papier. "Da müssten die Ermittlungen noch mehr ergeben."

Nach der Festnahme des langjährigen NPD-Funktionärs Ralf W., der die Zwickauer Terrorzelle unterstützt haben soll, hatten sich Politiker parteiübergreifend für ein neues NPD-Verbotsverfahren stark gemacht. Einige äußerten die Hoffnung, die Problematik der V-Leute werde angesichts von Verbindungen zwischen dem ehemaligen NPD-Funktionär und der Terrorgruppe bei einem neuen Verfahren in den Hintergrund treten. Dieser Einschätzung trat Papier klar entgegen.

"So lange nicht erwiesen ist, dass die NPD als solche von einer verbrecherischen Grundtendenz beherrscht wird, bleibt die Frage der Informanten relevant", sagte er. Das Bundesverfassungsgericht habe nicht gefordert, dass sämtliche V-Leute aus der NPD abgezogen werden müssten. "Allerdings muss die Staatsfreiheit der Führungsebene unmittelbar vor und während des Verbotsverfahrens gewährleistet sein."

Ein erstes Verbotsverfahren war 2003 in der Amtszeit Papiers als Verfassungsgerichtspräsident gescheitert, weil Informanten des Verfassungsschutzes auch in der Führungsebene der rechtsextremistischen Partei tätig waren. Ein zweites Scheitern würde "einen ganz fatalen Schaden für die politische Kultur in diesem Land anrichten", warnte Papier. Zwar sei eine Partei im braunen Spektrum "unserer Demokratie äußerst abträglich". Doch dürfe man "die rechtsstaatlichen Voraussetzungen eines Verbots nicht aus den Augen verlieren".

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 04.12.2011

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