Fraunhofer-Präsident: Deutschland darf Energiewende "nicht in den Sand setzen"

Der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Hans-Jörg Bullinger, hat vor einem Scheitern der Energiewende gewarnt.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Das wäre verheerend fürs Ansehen der deutschen Wirtschaft im Ausland. "Nun sind wir unter Druck. Denn falls wir die Energiewende in den Sand setzen, schadet das unserem Ansehen als Technologienation. Die Folgen wären also weit gravierender als nur für unsere eigene Energieversorgung. Die Welt würde an der Leistungsfähigkeit Deutschlands zweifeln", sagte der scheidende Fraunhofer-Chef der "Welt". Das Gelingen der Energiewende hält Bullinger trotz aller Verzögerungen noch für möglich.

"Die Energiewende ist zu schaffen, man muss sie nur beginnen und dann auch komplett durchziehen. Spätestens 2025, so unsere Berechnungen, wäre die Versorgung mit alternativen Energien kostengünstiger als mit konventioneller Energie. Es ist also machbar, wir müssen uns aber sputen."

Bullinger, der Ende dieses Monats nach zehn Jahren an der Spitze der Fraunhofer-Gesellschaft aufhört, forderte die deutschen Industrieunternehmen auf, sich mehr als bisher auf Zukunftslösungen für Städte zu konzentrieren. Das sei das Geschäftsfeld der Zukunft. "Unsere Industrie muss Megacity-taugliche Produkte anbieten. Sie muss die Ballungsräume der Zukunft als Massenmarkt entdecken", sagte Bullinger. Die Chinesen könnten zwar besser als die Deutschen Handys herstellen oder Kugelschreiber. Aber die Deutschen seien im Vorteil bei Produkten, bei denen es um "Energieeffizienz geht, Umweltfreundlichkeit und hohe Sicherheit". Viele deutsche Unternehmen hätten einzelne Komponenten für Systemlösungen, es fehle aber noch am Zusammenspiel. Daran gelte es zu arbeiten. "Wir müssen die Systemführerschaft erlangen." Im Zuge der Städtelösungen würden auch Elektroautos eine zunehmende Rolle spielen. Das werde aber langsamer gehen als gewünscht. "Ich bin von E-Mobilität überzeugt wie eh und je. Ich hatte aber nie die Hybris zu glauben, es gehe alles superschnell", sagte Bullinger. Es sei dennoch realistisch, bis 2020 auf Deutschlands Straßen eine Million Autos mit Elektroantrieben zu haben, wie die Bundesregierung plant. "Das ist auch machbar, aber nur, wenn man Hybridfahrzeuge hinzuzählt." Die deutschen Autokonzerne sollten umdenken bei ihrem Angebot für Elektroautos. "Ich predige auch immer wieder unseren Automanagern: Baut elektrische Gehhilfen - und elektrifiziert nicht einfach eure Autos!", sagte Bullinger. "So eine kleine Kiste sollte man sich für ein paar Tausend Euro kaufen können oder fünf Euro `reinschmeißen`, um mit ihr zu fahren." Die Vorstellung, dass nun alle Autos einfach von Verbrennungs- auf Elektromotor umgestellt werden, sei jedenfalls "weltfremd".

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 24.09.2012

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