Gabriel fordert "Neuausrichtung der EU"

Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel hat vor Beginn des heutigen Treffens von Bundeskanzlerin Merkel mit dem britischen Premierminister David Cameron in Berlin ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten gefordert.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - In einem Gastbeitrag für "Bild" (Freitag-Ausgabe) schrieb Gabriel: "Eine starke EU braucht Länder, die vorangehen. 28 Staaten hat die Europäische Union. Nicht alle werden immer zur gleichen Zeit alles gemeinsam tun können. Wir brauchen in Europa mehr Mut zu unterschiedlichen Geschwindigkeiten in der Zusammenarbeit. Einige - vor allem Frankreich und Deutschland - müssen voran gehen. Z. B. in der Energiepolitik oder bei der Zusammenarbeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Andere können nachkommen, wenn sie so weit sind. Nicht jeder muss alles mitmachen. Wir brauchen aber mehr vertiefte Zusammenarbeit unter dem Dach der EU."

Europa brauche "einen neuen Aufbruch", schreibt Gabriel. Der Vize-Kanzler weiter: "Die Aufgaben, die vor uns liegen, sind so groß, dass jedes Land alleine zu klein ist, um sie zu lösen. Auch das starke Deutschland. Deshalb wird es Zeit, Europa zu reformieren." Dabei müsse Europa "sozialer und gerechter werden". Um dieses Ziel zu erreichen, brauche es mehr Unterstützung aus den Mitgliedsstaaten! Zur Reform der EU brauche es weitere Maßnahmen, schreibt Gabriel in "Bild". Im Einzelnen nannte er dabei folgende Punkte: "1. Gerechtigkeit muss Thema der EU werden. Europa braucht Investitionen. Das kostet Geld. Es darf deshalb nicht so weiter gehen, dass große multinationale Konzerne in Europa bei uns keine Steuern zahlen, obwohl sie Milliarden verdienen. Deshalb ist es so wichtig, dass Präsident Juncker endlich eine Mindestbesteuerung für Unternehmen durchsetzen will. Deutschland und Frankreich unterstützen dies mit allem Nachdruck. Denn wenn jeder Bäckermeister einen höheren Steuersatz bezahlt als Apple oder Google, können wir von den Menschen keine Begeisterung für das Projekt Europa erwarten. 2. Wir brauchen die EU für mehr Wachstum. Fünf Millionen Jugendliche in der EU sind arbeitslos, sie drohen zu einer verlorenen Generation zu werden. Die Devise muss deshalb lauten: Jobs, Jobs, Jobs! Mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze schafft man aber nicht durch Sparen allein, sondern durch Investitionen in Zukunftsfelder: Digitalisierung, Infrastruktur, Forschung. Sinnlose Bürokratie vernichtet Jobs. Es darf keine Vorschriften aus Brüssel geben, die Arbeitsplätze kosten. 3. Die EU ist für die großen Probleme da. Fluchtursachen bekämpfen, gegen Schlepperbanden vorgehen, Menschen aus Seenot retten und eine faire Verteilung der Flüchtlinge aus Afrika auf die einzelnen Mitgliedsstaaten, das sind Aufgaben für die EU. Dafür soll sie sich in Zukunft nicht mehr um jede Kleinigkeit kümmern, die wir zu Hause besser regeln können. 4. Die EU ist eine Wertegemeinschaft. Die EU steht für die Werte des Westens: Freiheit des Einzelnen, Demokratie und Rechtsstaat. Diese Werte sind bedroht. In der Ukraine genauso wie durch den Terror des "Islamischen Staats". Wir können unsere Werte aber nur dann glaubwürdig verteidigen, wenn wir an uns selbst besonders hohe Maßstäbe anlegen. Massenüberwachung durch die NSA ist damit genauso wenig vereinbar wie die Todesstrafe, über deren Einführung gerade im EU-Mitgliedsstaat Ungarn diskutiert wird. 5. Eine starke EU braucht Länder, die vorangehen. 28 Staaten hat die Europäische Union. Nicht alle werden immer zur gleichen Zeit alles gemeinsam tun können. Wir brauchen in Europa mehr Mut zu unterschiedlichen Geschwindigkeiten in der Zusammenarbeit. Einige - vor allem Frankreich und Deutschland - müssen voran gehen. Z. B. in der Energiepolitik oder bei der Zusammenarbeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Andere können nachkommen, wenn sie so weit sind. Nicht jeder muss alles mitmachen. Wir brauchen aber mehr vertiefte Zusammenarbeit unter dem Dach der EU." Gabriels Fazit: "Wir müssen das großartige Projekt Europa auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ausrichten."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 29.05.2015

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