Gabriel will weiteren Schuldennachlass für Griechenland

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Europäische Union vor ihrem Flüchtlingsgipfel dazu aufgerufen, Griechenland nicht zu isolieren und in der Schuldenkrise noch einmal deutlich entgegenzukommen.

Berlin/Athen (dts Nachrichtenagentur) - In einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Montagsausgabe) schreibt der SPD-Vorsitzende, der Ausschluss oder die Ausgrenzung eines Mitgliedsstaates aus dem Schengenraum seien Scheinlösungen, "die die europäische Debatte vergiften". Eine solche Ausgrenzung Griechenlands drohe aber, wenn "Ideen der Konservativen" verwirklicht würden und an der Grenze zu Mazedonien Zäune gebaut würden. "Man kann nicht einfach Europas Außengrenzen neu definieren und das noch über den Kopf betroffener Staaten hinweg", schreibt Gabriel.

Vielmehr gehe es um "lückenlose Registrierung, ausreichende Unterbringungskapazitäten und geordnete Verteilung" der Flüchtlinge. Gabriel ruft in seinem Beitrag anlässlich der Flüchtlingskrise zu einem Lastenausgleich in der EU auf. Für eine "Erneuerung des europäischen Einigungsgedankens" sei es nötig, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in vielen EU-Mitgliedsstaaten mit einer gemeinsamen Asyl-und Flüchtlingspolitik zu verbinden.

Deutschland könne nicht erwarten, dass ihm bei der Verteilung der Flüchtlinge geholfen werde, wenn es nicht bereit sei, mehr als bisher in Wachstum und Beschäftigung in Europa zu investieren. Dazu gehöre auch, Griechenland in der Schuldenkrise noch einmal deutlich entgegenzukommen. Von den weit mehr als 200 Milliarden Euro Hilfen an Griechenland zwischen 2010 und 2015 sei der weitaus größte Teil, rund 145 Milliarden Euro, an internationale Gläubiger gegangen, um alte Kredite abzulösen.

Diese 145 Milliarden würden durch die Steuerzahler der Geberländer aufgebracht. "Aber zur Ehrlichkeit gehört festzustellen, dass diese große Summe im Schuldenkreislauf verblieben ist und kaum zu einem ökonomischen Neustart in Griechenland beigetragen hat", schreibt Gabriel in seinem F.A.Z.-Beitrag. "Wir mobilisieren Milliarden über Milliarden Euro an Rettungskrediten, um das europäische Finanzsystem zu stabilisieren", aber es sei nicht gelungen, "die normalen und realen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen der Menschen in den Ländern zu verbessern, die Empfänger dieser Hilfen sind".

Dieser Widerspruch sei für die Bürger aller beteiligten Länder schwer zu begreifen und lasse den Unmut über die europäische Rettungspolitik bei Gebern wie bei Nehmern wachsen. "Wenn wir diese Politik nicht ändern, wird es eher den Zerfallsprozess Europas beschleunigen als den betroffenen Ländern zu Wachstum und Arbeit verhelfen", schreibt Gabriel weiter. Deshalb sei es richtig gewesen, im Zuge der Rettungsprogramme für Griechenland den Investitionen, der Wachstumspolitik und der gerechten Lastenverteilung größeres Gewicht zu geben. Gabriel fordert deshalb Erleichterungen für Griechenland. "Wenn die griechische Regierung jetzt weiter ernst macht mit dem Reformkurs, dann müssen wir Wege finden, die griechischen Schulden weiter zu reduzieren". Griechenland brauche dringend eine Schuldenerleichterung "etwa durch längere Laufzeiten und Zinsnachlässe". Griechenland drohe sonst angesichts sozialer Unruhen die Unregierbarkeit. "Angesichts dieser Lage wirkt die wöchentliche Mahnung der Europäischen Union, Griechenland möge doch mehr für die Sicherung der EU-Außengrenzen tun, fast schon zynisch", schreibt Gabriel. In der Debatte über einen drohenden "Brexit" zeigt sich Gabriel kompromissbereit. Zwar schreibt Gabriel: "Ein Veto gegen weitere Integrationsschritte wird es nicht geben können." Es sei aber eine Verständigung mit Großbritannien über die Einschränkung von Sozialleistungen möglich: "Eine zeitlich befristete Einschränkung von Sozialleistungen ist aus unserer Sicht aber legitim, um einer gezielten Wanderung in die Sozialsysteme zu begegnen. Dabei darf es keine dauerhafte Diskriminierung von Unionsbürgern geben, die in einem anderen EU-Staat einer Erwerbstätigkeit nachgehen", heißt es in dem FAZ-Beitrag.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 14.02.2016

Zur Startseite