Geheimbericht warnt vor Risiken bei NPD-Verbotsverfahren

Ein Geheimbericht von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Sachsen-Anhalts Ressortchef Holger Stahlknecht (CDU) warnt vor zahlreichen Risiken in einem NPD-Verbotsverfahren.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Der Staat laufe Gefahr, dass die Enttarnung von V-Leuten des Verfassungsschutzes von der NPD beantragt oder vom Bundesverfassungsgericht eingefordert werde. Karlsruhe könnte "jederzeit die Offenlegung von Quellen erzwingen", heißt es in dem "VS - vertraulich" gestempelten Bericht der Minister, der der Tageszeitung "Die Welt" (Mittwochausgabe) vorliegt. Die Namensfreigabe hätte "erhebliche nachteilige Folgen für die Arbeit der Sicherheitsbehörden", heißt es in dem 36 Seiten langen Papier.

Aus diesem Dilemma gibt es demnach nur einen Ausweg: Dem Beweismaterial, das gegen die NPD gesammelt werden soll, sei "grundsätzlich ein Zeitraum von fünf Jahren vor Antragstellung zugrunde zu legen". Doch das ist politisch nicht opportun, fünf Jahre wollen die meisten Ministerpräsidenten nicht abwarten. Der in dem Bericht enthaltene "Kriterienkatalog" von Friedrich und Stahlknecht für eine Beweisführung gegen die NPD listet die Prozessrisiken auf.

Für einen Verbotsantrag müsse demnach der Grundsatz gelten, dass die Materialsammlung gegen die Partei "weder inhaltlich von einer Quelle stammt, noch von einer Quelle beigebracht wurde". Der Katalog verweist zudem darauf, dass der Staat möglicherweise auch auf Informanten unterhalb der Führungsebene verzichten muss. "Die Abschaltung von Quellen kann im Einzelfall allein aufgrund ihres vergleichbaren Einflusses innerhalb der Partei geboten sein", heißt es in dem Papier.

Dies können einflussreiche Meinungsmacher oder Vorsitzende von Kreisverbänden sein, die großen Einfluss auf die Partei ausüben. Es stehe den Ländern frei, überdies "Vorsorge dahin gehend zu treffen, dass Quellen sich nicht als Delegierte für Bundes- oder Landesparteitage aufstellen lassen". Abgeschaltet werden müssten aber nicht nur V-Leute aus dem Bundesvorstand der NPD und allen Landesvorständen einschließlich der Präsidien.

Die Minister finden dies auch nötig bei der Führungsebene in Bund und Ländern der drei Teilorganisationen der NPD. Dabei sind die Jungen Nationaldemokraten (JN), die Kommunalpolitische Vereinigung und der Ring Nationaler Frauen. Der Bericht nennt als ein Hauptkriterium für einen Verbotsprozess vor dem Verfassungsgericht, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden muss. Dabei sei aber "unklar, ob das Gericht bereits nach deutschem Recht eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Parteiverbots als solchem vornehmen und welche Aspekte es hierbei berücksichtigen wird". Die Anforderungen an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seien bei der Beobachtung einer Partei durch den Verfassungsschutz "insbesondere gegenüber Abgeordneten verfassungsrechtlich noch nicht abschließend geklärt". Laut dem Geheimpapier ist auch "nicht genau vorhersehbar", wie stark die politische Bedeutung der rechtsextremen Partei von Karlsruhe überhaupt "gewichtet wird". Ein weiteres Risiko bestehe darin, dass "bei einem Verbot durch das Bundesverfassungsgericht die NPD darüber hinaus den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte direkt anrufen" könnte.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 21.03.2012

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