Graumann sieht in Beschneidungs-Debatte keinen Antisemitismus

Der Zentralratspräsident der Juden Dieter Graumann lobt die Initiative von Union, FDP und SPD, die rituelle Beschneidung per Gesetz zu legalisieren - auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung die Frage anders sieht.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Demoskopie ist eine Sache", sagte Graumann dem Nachrichtenmagazin "Focus", "Verantwortungsbewusstsein etwas anderes." Nach einer Emnid-Umfrage für "Focus" halten nur 40 Prozent der Deutschen eine gesetzliche Beschneidungs-Erlaubnis für richtig. 48 Prozent sprechen sich dagegen aus.

In Ostdeutschland stellen die Beschneidungsgegner die deutliche Mehrheit: Hier wenden sich 55 Prozent gegen die geplante Legalisierung, die Union, FDP und SPD im Herbst verabschieden wollen. 38 Prozent der Ostdeutschen hält sie für gut. Nur bei Anhängern der Union und der Grünen sind mit 45 beziehungsweise 53 Prozent eine Mehrheit für das Beschneidungsgesetz.

Wähler von FDP, SPD und Linkspartei lehnen den geplanten Paragraphen mehrheitlich ab. Graumann sagte "Focus", er wolle die schrillen Töne in der Debatte der vergangenen Wochen "überhaupt nicht auf das Thema Antisemitismus schieben - das hat damit nichts zu tun". Es habe ihn erstaunt, "dass viele Menschen, auch Gebildete, überhaupt nicht wussten, dass es bei uns rituelle Beschneidung gibt. Ich verstehe, dass jemand erst einmal zurückzuckt, wenn er im Status der Unwissenheit damit konfrontiert wird." Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier, plädierte für ein Gesetz zur Beschneidungslegalisierung. Er halte das Urteil des Kölner Landgerichts zum Beschneidungsverbot für "verfehlt", so Papier zu "Focus".

Das Gericht habe "sehr verkürzt argumentiert" und nicht hinreichend berücksichtigt, dass es sich bei der Beschneidung für Juden und Muslime nicht nur um eine Tradition handele, "sondern um einen essentiellen Glaubensinhalt". Eine Legalisierung hält Papier für notwendig, um Rechtssicherheit zu schaffen. Er mahnt allerdings: "Ein solches Gesetz ist nicht auf die Schnelle zu machen." Der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Raju Sharma sagte "Focus": "Das Gesetz kommt gar nicht." Aus seiner Sicht gebe es so viele Schwierigkeiten, einen verfassungskonformen Text zu formulieren, dass der Bundestag nicht dazu kommen werde, das Gesetz vor der Wahl 2013 zu verabschieden. Das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid befragte am 18. und 19. Juli für "Focus" 1.000 repräsentativ ausgewählte Personen.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 21.07.2012

Zur Startseite