Historiker kritisiert griechische Reparationsforderungen scharf

Der Historiker Michael Wolffsohn hat mit scharfer Kritik darauf reagiert, dass der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras seine Wahlversprechen unter anderem mit Geld aus Deutschland finanzieren will.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - In einer Rede vor dem Parlament in Athen hatte Tsipras es seine "moralische Pflicht" genannt, Reparationsforderungen aus der Nazi-Zeit einzutreiben. Wolffsohn erklärte dazu in einem Beitrag für das "Handelsblatt" (Online-Ausgabe): "Wenn heute die deutsch-griechische Geschichte in Zeiten von Weltkrieg und Holocaust thematisiert wird, muss auch über die Kollaboration von Griechen mit Nazis, SS und Wehrmacht gegen Juden, Kommunisten und Partisanen gesprochen werden. So klein war die diese Mitarbeit nicht. Wer H wie Hitler sagt, muss auch die eigene Geschichte von A bis Z durchgehen." Unabhängig davon schätzt Wolffsohn die Chancen auf Durchsetzung der griechischen Reparationsforderungen äußerst gering ein. Schon frühere griechische Regierungen hätten seit Jahrzehnten mehrfach diese Forderungen gestellt - auch vor internationalen Gerichtshöfen.

"Stets waren sie gescheitert, denn, anders als im Versailler Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg, sollte (West-) Deutschland nicht zusätzlich geschwächt, sondern in seiner Erneuerung gestärkt werden", erklärte der Historiker. "Wie wir wissen, war diese Entscheidung für alle segensreich." Scharfe Kritik äußerte Wolffsohn auch an Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis, der vergangene Woche unter Anspielung auf die deutsche Geschichte um Unterstützung für sein Land gebeten hatte.

Mit Blick auf Varoufakis` Vergleich der Sparauflagen der internationalen Geldgeber für Athen mit den Auflagen des Versailler Vertrags für Deutschland erklärte Wolffsohn: "Die antideutsche, letztlich antieuropäische Speerspitze der neugriechischen Männer-Phalanx ist jetzt Finanzminister Varoufakis." Wolffsohn betonte, der Versailler Vertrag habe Deutschland schwächen sollen, währen die Griechenlandpolitik der EU und Deutschlands Griechenland helfen wolle. "Sie hilft Griechenland. Ohne sie bekämen noch weniger Griechen ihren Lohn. Fazit: Der Professor stellt die Wahrheit von den Füßen auf den Kopf." Wolffsohn nahm dabei Bezug auf Äußerungen des Ministers in der Wochenzeitung "Die Zeit". Mit Blick auf die Sparauflagen für Griechenland hatte Varoufakis gesagt: "Wenn ich so etwas höre, denke ich manchmal, dass Europa aus der Geschichte nichts gelernt hat." Deutschland habe nach dem Ersten Weltkrieg den Vertrag von Versailles unterschrieben. "Aber dieser Vertrag war schlecht. Europa wäre viel Leid erspart geblieben, wenn er gebrochen worden wäre." Selbst der britische Ökonom John Maynard Keynes habe damals schon gewarnt, dass es keine nachhaltige Strategie sei, ein Land in den Ruin zu treiben.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 09.02.2015

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