IOC-Präsident: "Von Kostenexplosion kann keine Rede sein"

IOC-Präsident Thomas Bach tritt Befürchtungen entgegen, die Atmosphäre bei den Olympischen Spiele in Sotschi (7. bis 23. Februar) könnte unter den massiven Sicherheitsvorkehrungen infolge von Terrordrohungen leiden.

Berlin/Sotschi (dts Nachrichtenagentur) - "Hohe Sicherheitsvorkehrungen gibt es seit 1972 infolge des Attentats in München. Oder denken Sie an die Spiele 2002, nur einige Monate nach 9/11! Ich gehe davon aus, dass die russischen Sicherheitskräfte es auf die gleiche Weise hinbekommen werden wie damals ihre amerikanischen Kollegen", sagte der Deutsche in einem Interview mit der "Welt am Sonntag". Eine "Party hinter Stacheldraht" befürchtet er nicht.

Bach: "Was soll man auf ein solches Schlagwort antworten? Es wird Sicherheitsmaßnahmen geben, und die olympische Atmosphäre wird sich entfalten. Das zeigt übrigens die Erfahrung. Diskussionen hat es vor jeden Olympischen Spielen gegeben: `Die Bauten werden nicht fertig!` `Die Stimmung leidet!`, `Die Sicherheit ist nicht gewährleistet!`. In dem Augenblick aber, in dem das olympische Feuer brennt, in dem die ersten Wettbewerbe beginnen, wird deutlich, dass es zuvorderst um die Athleten und den Sport geht." Der Frage, ob das IOC die Spiele mit dem heutigen Wissen wieder nach Sotschi vergeben würde, wich Bach im Gespräch mit der "Welt am Sonntag" aus: "Das ist keine Frage, die ich zu entscheiden habe. Es ist eine demokratische Entscheidung gewesen durch eine Abstimmung unter allen IOC-Mitgliedern. Die Session hat 2007 einem Projekt zugestimmt, das - zu Recht - hervorragende Bedingungen für die Athleten versprach und das nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Entstehung eines Wintersportzentrums für Russland garantierte. Sotschis Bewerbung war insofern ein Katalysator für eine Region, die sozusagen aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden musste. Entstanden ist eine ganzjährige Sport-, Touristen- und Kongressdestination."

Den Hinweis, dass der Preis dafür hoch ist, kontert Bach mit einem Seitenhieb auf Deutschlands Politik: "Man darf hier nicht mit dem saturierten Blick Westeuropas herangehen, wo es teilweise nicht einmal mehr möglich ist, einen Bahnhof um- oder eine Flughafen-Startbahn neu zu bauen. In anderen Teilen der Welt werden Infrastrukturprojekte in Angriff genommen, die weit in die Zukunft reichen. Es werden Anstrengungen unternommen, die es bei uns in den vergangenen Jahrzehnten bereits gegeben hat. Und zwar dort, wo Nachholbedarf besteht. Oder dort, wo das Vertrauen in die Zukunft größer ist, als wir es gerade in Deutschland erleben." Bach betonte: "Das operative Budget der Spiele in Sotschi ist mit 2,2 Milliarden US-Dollar im völlig normalen Rahmen, von einer Kostenexplosion kann keine Rede sein. Niemand sollte das mit den Kosten für ein Entwicklungsprojekt in der Region vermengen." Auf die Frage, ob ihm Bundespräsident Joachim Gauck in einem persönlichen Gespräch schon erklärt habe, warum er nicht nach Sotschi reisen wird, antwortete Bach: "Nein. Das muss er auch nicht. Das ist keine Frage, die unbedingt im gemeinsamen Gespräch erörtert werden muss. Das ist Herrn Gaucks Entscheidung. Ich habe niemandem einen Rat zu geben." Unabhängig von dieser konkreten Situation glaube er, "dass die Leute ein sehr feines Gespür dafür haben, welches politische Gewicht bloße Symbolik hat. Generell taugen die Olympischen Spiele nicht zur Austragung politischer Meinungsverschiedenheiten. Wenn sie Differenzen haben, sollten die Politiker mutig genug sein, diese direkt mit der Gegenseite auszutragen - und nicht zu versuchen, Botschaften symbolisch auf dem Rücken der Athleten zu transportieren", sagte Bach. Dass Olympiateilnehmer ihre Meinung in Sotschi nicht an Wettkampfstätten, dafür jedoch auf dem Pressekonferenzpodium äußern dürfen, erklärt der IOC-Präsident im Gespräch mit der "Welt am Sonntag" so: "Eine Wettkampfstätte ist eine Bühne, auf der keine politischen Aussagen getroffen werden dürfen. Es ist nicht Sinn der Spiele, dass politische Auseinandersetzungen auf dieser Bühne ausgetragen werden. Zumal es Hunderte wichtige Anliegen gibt, die aber, da sie politisch sind, auch immer kontrovers sind: Der eine demonstriert für die Rechte Homosexueller, der andere gegen die Todesstrafe, wieder ein anderer für das Recht Palästinas für einen eigenen Staat und so weiter. Jede politische Demonstration würde eine Gegendemonstration auslösen. Dann ginge es bei den Spielen nicht mehr um Sport, sondern um das Aufeinanderprallen von politischen Meinungsverschiedenheiten." Eine Pressekonferenz sei Teil des Forums für eine freie Meinungsäußerung: "Das ist nicht das Gleiche wie das Olympiastadion, das darf den Athleten auch nicht genommen werden." Angst vor Angriffen hat der 60-Jährige nach eigenem Bekunden nicht. Im Gegensatz zur amerikanischen Mannschaft, der das US-Außenministerium das Tragen unauffälliger Kleidung außerhalb der olympischen Areale empfohlen hat, werde "das IOC und sein Präsident dort sichtbar sein, ebenso wie die Olympiamannschaften auch": "Solche Ratschläge an Teams hat es immer gegeben", sagte Bach, "das ist nichts Neues, das ist jedem Nationalen Olympischen Komitee überlassen, wie es damit umgeht. Ich wage aber die Voraussage, dass wir auch in Sotschi viele Stars and Stripes sehen werden."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 02.02.2014

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