IW-Chef sieht finanzielle Stabilität durch Euro-Beschlüsse nicht gefährdet

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hat der Einschätzung des Präsidenten des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, widersprochen, wonach Deutschlands finanzielle Stabilität durch die jüngsten Euro-Beschlüsse gefährdet würde, während sich Investoren aus aller Welt, die sich verspekuliert hätten, noch in letzter Minute aus dem Strudel befreien könnten.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Die Bewertung von Sinn geht in die Irre. Denn sie verkennt, was tatsächlich beschlossen wurde", sagte Hüther "Handelsblatt-Online". Es sei richtig, dass Europa das Bankenproblem in den Blick nehme, denn hier lägen die eigentlichen Probleme, "die sich aus einer Renationalisierung der Finanzsysteme in Form einer Desintegration zeigen können".

Es handle sich um europaweit systemrelevante Banken, deshalb sei auch europäisches Handeln gefordert. "Als Ökonom sollte man gerade damit keine Schwierigkeiten haben." Hüther wies auf die Bedingungen hin, unter denen Hilfe gewährt wird.

So könnten für eine Rekapitalisierung systemrelevanter Banken in der Euro-Zone Mittel des Euro-Rettungsfonds EFSF und des ESM direkt eingesetzt werden, wenn zuvor eine effektive europäische Finanzaufsicht unter Einbindung der Europäischen Zentralbank (EZB) institutionalisiert sei. "Damit wird auf europäische Ebene nachgebildet, was in den meisten Eurostaaten gilt, nämlich eine Kooperation der Notenbank und der Bankenaufsichtsbehörde." Auch sei es angemessen die Kredite des ESM gleichrangig zu bewerten, weil ansonsten keine private Investitionsbereitschaft bestehe.

"Auch das sollte nach der Lektion der ‚freiwilligen‘ Gläubigerbeteiligung im Falle Griechenlands jedem Ökonomen anreiztheoretisch klar sein", unterstrich Hüther. Das angemessene Behandeln der Bankenproblematik mindere zudem zugleich den Druck, "Eurobonds oder ähnlichen Unsinn – wie den Schuldentilgungsfonds – einzuführen, was ökonomisch verheerend wäre und verfassungsrechtlich gar nicht ginge", gab der IW-Chef zu bedenken. Es sei daher "nicht die Zeit für billige Parolen".

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 02.07.2012

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