Italiens Finanzminister will EU-Behörde für Flüchtlingspolitik

Italiens Finanzminister Pier Carlo Padoan hat eine EU-Behörde für Flüchtlinge gefordert und glaubt, dass der Flüchtlingsansturm auf Europa dem Kontinent mehr Vor- als Nachteile bringt.

Rom (dts Nachrichtenagentur) - Dafür müsse man die aktuelle Krise jedoch mit gemeinsamen Anstrengungen meistern: "Langfristig sollten die verschiedenen Sozialsysteme einander angeglichen werden", sagte der italienische Finanzminister der "Welt" (Online/Print: Montag). "Kurzfristig sollten wir uns zumindest darauf einigen, Flüchtlingen überall ähnliche finanzielle Hilfen zu gewähren. Aber wir brauchen auch noch etwas ganz anderes: eine neue Institution in Europa, die sich ausschließlich mit Flüchtlingspolitik befasst."

Grundsätzlich sieht Padoan die Krise nicht so negativ wie viele seiner europäischen Kollegen. "Sicher, es gibt Gefahren, zum Beispiel könnten Kriminelle ins Land gelangen. Aber die Vorteile überwiegen. Der Zustrom wird sich etwa für unsere Wirtschaft lohnen. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen. Aber übermorgen können die Flüchtlinge eine Bereicherung sein und das nicht nur für uns, sondern für den ganzen Kontinent. Italien, Deutschland, Frankreich, Griechenland - alle leiden darunter, dass die Gesellschaft altert, dass die Arbeitskräfte ausgehen", erklärte Padoan, der einige Jahre lang Chefvolkswirt des OECD war. "Die Einwanderer können das ausgleichen, vor allem natürlich die gut ausgebildeten. Europa bekommt neue Talente. Das ist doch wunderbar." Der Kritik, sein Land würde zu wenig tun und die Krise zu passiv managen, widerspricht er energisch. "Es gibt Länder in Nordeuropa, in Mitteleuropa, die bauen Mauern. Italien baut keine Mauern." Zudem würde Italien viel Geld und Mühe dafür aufwenden, Menschen aus dem Mittelmeer zu retten und die Schlepper und ihre Hintermänner zu finden. "Für uns ist die Situation ja nicht neu. Auf der Insel Lampedusa landeten schon `Boatpeople`, als das Thema Flüchtlinge für Deutschland noch weit weg war." Dennoch erreiche die Krise jetzt auch für sein Land eine neue Dimension. "Dieses Jahr werden wir mehr als dreieinhalb Milliarden Euro im Zusammenhang mit dem Zustrom ausgeben."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 09.11.2015

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