Italiens Notenbankchef für Aufkauf von Staatsanleihen

Angesichts der extrem niedrigen Inflationsraten in Europa hat der Italienische Notenbankchef Ignazio Visco große Sympathie für den Aufkauf von Staatsanleihen signalisiert.

Rom (dts Nachrichtenagentur) - "Staatsanleihenkäufe sind in dieser Situation das wirksamste Mittel", sagte der Gouverneur der Banca d`Italia im Interview mit der "Welt am Sonntag" (Erscheinungstag: 11.01.). Im Rat der Europäischen Zentralbank würden zwar verschiedene Möglichkeiten diskutiert, auch der Kauf anderer Wertpapiere, beispielsweise Unternehmensanleihen. "Aber dieser Markt ist nicht besonders groß. Außerdem finanzieren sich dort vor allem große Konzerne, die ohnehin bereits sehr günstig an Geld kommen", sagte Visco. Der EZB-Rat wird in seiner nächsten Sitzung am 22. Januar über den Einstieg in ein Staatsanleihenprogramm beraten. Das so genannte Quantitative Easing ist umstritten.

Kritiker sehen eine gefährliche Nähe zur verbotenen Staatsfinanzierung mit der Notenpresse. Visco rät von übertriebenen Berührungsängsten gegenüber dieser Maßnahme dagegen ab: "Das ist ein Standard-Instrument der Geldpolitik", sagte er. "Wir nennen das nur unkonventionell, weil es in Europa so lange nicht genutzt wurde."

Visco erinnerte auch an die Erwartungslage, die inzwischen entstanden sei. "Die Finanzmärkte haben ein QE-Programm in Europa schon in gewissem Maße eingepreist", sagte er mit Blick auf die teilweise extrem niedrigen Renditen europäischer Staatsanleihen. "Wir müssen nun liefern - ansonsten würden die Zinsen sofort wieder steigen."

Gerade nachdem die Preise im Euro-Raum im Dezember um 0,2 Prozent gefallen sind, sieht Visco die EZB unter Handlungsdruck. "Das ist nur eine einzelne Zahl, aber sie steht am Ende einer langen Serie von sehr niedrigen Teuerungsraten", sagte er. "Deshalb ist diese Situation sehr kritisch. Die Menschen könnten sich immer weiter auf niedrige oder gar negative Inflationsraten einstellen." Während andere Notenbanker das Risiko eines Staatsanleihenprogramms betonen, sieht Visco vor allem dann Risiken, wenn die EZB nichts unternehmen sollte. "Ich kann nur davor warnen, das gesamtwirtschaftliche Risiko zu unterschätzen. Wenn die Inflationsraten zu lange sehr niedrig bleiben und die Wirtschaft kaum wächst, drohen wir in eine Abwärtsspirale zu geraten, die sich selbst immer weiter verstärkt - genau das nennt man Deflation", sagte er. Sinkende Energiepreise haben den Handlungsdruck für die EZB aus seiner Sicht nicht unbedingt vermindert, obwohl sie die Konjunktur beleben könnten. "Das billige Öl hilft der Wirtschaft, das ist keine Frage", sagte der Italiener. "Andererseits sorgt es für niedrigere Preise. Und das ist ein Problem, wenn sich die Inflationsraten bereits nahe der Nulllinie befinden. Die Inflationserwartungen drohen weiter zu sinken." Falls die EZB Staatsanleihen kauft, sollte sie die Risiken aus Viscos Sicht nicht bei den jeweiligen nationalen Notenbanken belassen, wie es teilweise diskutiert wird. "Wenn die jeweilige nationale Notenbank auf eigene Rechnung kauft, werden die Finanzierungsbedingungen in Europa noch weiter auseinanderfallen als bisher", warnte Visco. "Wir sollten es bei dem Verfahren belassen, das auch sonst für unsere geldpolitischen Maßnahmen gilt: Die Risiken trägt das Eurosystem insgesamt."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 11.01.2015

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