Kauder: Karlsruhe soll der Politik mehr Gestaltungsspielraum lassen

In einem ungewöhnlichen Schritt hat der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, das Bundesverfassungsgericht ermahnt, mehr Rücksicht auf die Politik zu nehmen.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Ich beobachte mit Sorge, ob das Bundesverfassungsgericht dem Grundsatz der richterlichen Selbstbeschränkung noch den genügenden Stellenwert beimisst", sagte der CDU-Politiker der "Welt am Sonntag". "Das Parlament als unmittelbar vom Volk gewähltes Verfassungsorgan muss seinen politischen Gestaltungsspielraum behalten." Kauder wörtlich: "Ich bitte hier um mehr Rücksichtnahme."

In einigen Urteilen, auch in der jüngsten Entscheidung zur Europawahl, habe Karlsruhe der Politik nicht mehr genügend Raum zur freien politischen Gestaltung gelassen, kritisierte Kauder. Einige Verfassungsrichter sähen das ähnlich. So habe Gertrude Lübbe-Wolff ihren Kollegen in mehreren Beschlüssen "eine Überschreitung der richterlichen Kompetenzen vorgehalten", erinnerte Kauder.

"Das ist schon ein harter Vorwurf und muss dem Verfassungsgericht und seinem Präsidenten Voßkuhle zu denken geben." Außerdem forderte der CDU-Politiker die Karlsruher Richter auf, durch ihre Urteile sprechen "und nicht durch Hintergrundgespräche". Kauder sagte: "Und wenn die Urteile so sind, dass man Hintergrundgespräche braucht, um sie zu erläutern, muss man darüber auch einmal nachdenken."

Er könne gut verstehen, dass Abgeordnete des Europaparlaments die Entscheidung zur Aufhebung der Drei-Prozent-Klausel für die Europawahl "als Missachtung ihrer Arbeit betrachten". Das Europaparlament sei kein Parlament zweiter Klasse mehr. Kauder wandte sich gegen den Vorschlag des früheren Verfassungsgerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier, die Fünf-Prozent-Klausel für die Bundestagswahl im Grundgesetz zu verankern.

"Ich sehe im Augenblick keine Notwendigkeit, die Verfassung beim Wahlrecht zu ändern. Kein Urteil aus Karlsruhe gibt die Interpretation her, dass die Fünf-Prozent-Klausel für die Bundestagswahl gefährdet sei", sagte er. Für eine entsprechende Verfassungsänderung sei zudem eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig. "Und die kann ich nicht erkennen." Es käme auch schnell "ein ganzer Rattenschwanz an zusätzlichen Forderungen hinterher - Plebiszite und vieles mehr".

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 16.03.2014

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