Koalition streitet über Europa-Reformpläne

Die Pläne der EU-Institutionen zu einer grundlegenden Reform Europas stoßen auf Widerstand in der schwarz-gelben Koalition.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Dem CSU-Finanzexperten Hans Michelbach gehen die Überlegungen für eine politische Union zu weit: Sie "gehen gegen die wesentlichen Interessen Deutschlands", sagte er der "Welt". Michelbach fürchtet, die Bundesrepublik würde einziger Zahlmeister einer Fiskalunion sein. Es drohe überdies eine Spaltung der EU, weil viele Länder diesen Weg nicht mitgehen würden.

"Wir wollen nicht die Vereinigten Staaten von Europa", sagte er der "Welt". Beim kommenden EU-Gipfel Ende Juni wollen die Staats- und Regierungschefs der EU über die Ergebnisse einer hochkarätigen Arbeitsgruppe aus den Spitzen der EU-Institutionen beraten, die einen Fahrplan für einer tiefere Integration der EU erarbeiten sollen. FDP-Finanzexperte Frank Schäffler kritisierte diese Pläne für eine politische Union.

"Das ist ein planwirtschaftliches Projekt von oben, das demokratisch überhaupt nicht legitimiert wäre", sagte er der "Welt". Damit käme "der europäische Superstaat durch die Hintertür". Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), sagte, derlei Planspiele seien ein Projekt "für die nächsten 30 Jahre und helfen deshalb nicht, die jetzige Schulden- und Vertrauenskrise im Euro-Raum zu lösen".

Auch ein Frankfurter Top-Banker kritisierte die langfristige Strategie: "Das Krisenmanagement beunruhigt uns zutiefst", sagte er der "Welt". "Dass man jetzt Zeit für Projekte wie eine Banken-Union verwendet, gehört zu den Dingen, die uns gerade beunruhigen. Das ist überhaupt nicht akut - die Probleme in Spanien sind es dagegen sehr."

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin dagegen erkennt in den Plänen die Forderungen seiner Partei wieder. "Wir sagen seit Langem, dass Europa eine gemeinsame Bankenaufsicht und auf deren Grundlage auch einen gemeinsamen Bankenrettungsfonds benötigt", sagte er der "Welt". Er freue sich über die Einsicht, dass Deutschland nicht tatenlos zusehen dürfe, "wie Spanien und andere europäische Länder immer tiefer in die Krise geraten, weil es in der EU keine koordinierte Wachstumspolitik gibt."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 04.06.2012

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