Koalitionspolitiker fürchten endlose Krisenhilfe durch EZB und ESM

Trotz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die deutsche Beteiligung am Euro-Rettungsschirm ESM nur unter Vorbehalten zu erlauben, befürchten Politiker von Union und FDP, dass die Euro-Rettung zu einem Fass ohne Boden werden könnte.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Unter dem Strich sind wir der Haftungs- und Schuldenunion wieder ein großes Stück näher gekommen", sagte der Haushaltsexperte und CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch "Handelsblatt-Online". Jetzt werde die Europäische Zentralbank (EZB) "im ganz großen Stil Staatsanleihen kaufen und sich endgültig von ihrem Vorbild der Bundesbank verabschieden - in Richtung Banca d`Italia". Ein Ende dieser Entwicklung sei nicht in Sicht.

"Es wird jetzt immer weiter gehen, Programm um Programm, weil es bequemer ist, sich von anderen die Zinsen subventionieren zu lassen, als mühsame Strukturanpassungen umzusetzen", sagte Willsch weiter. "Wer wissen will, wohin die Reise geht, soll sich die Situation Italiens in den 70er und 80er Jahren vergegenwärtigen: Inflation, ausufernde Schulden, kaum Wachstum." Der Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Schäffler, schließt nicht aus, dass das ESM-Volumen in absehbarer Zeit erhöht werden muss.

"Sobald sich erneut zeigt, dass die Rettungsschirmpolitik falsch ist - und sie ist falsch, daran ändert sich natürlich nichts -, müsste der ESM unter Beteiligung des Bundestags aufgestockt werden." Dazu sei eine Kapitalerhöhung oder eine Ausweitung des ESM-Kreditvergabevolumens nötig. "Den Vertrag muss man dazu nicht ändern, wohl aber den Bundestag beteiligen."

Schäffler und Willsch forderten die Bundesregierung auf, rasch die Vorgaben des Karlsruher ESM-Urteils zu erfüllen. Bei der Ratifikation des Rettungsschirms müsse ein Vorbehalt erklärt werden, "dass Deutschland nicht für mehr als 190 Milliarden haftet, egal was im ESM steht", sagte Schäffler. Wenn Deutschland nicht für mehr als 190 Milliarden haftet, deckle dies die "Schlagfähigkeit" des ESM, erläuterte der FDP-Politiker.

"Niemand wird ihm einen Kredit geben, dessen Rückzahlung gefährdet wäre, weil Deutschlands Haftung durch den Vorbehalt begrenzt wird." Damit sei der Betrag von 190 Milliarden für den ESM zwar weg, aber eben nicht mehr. Willsch begrüßte, dass nach dem Urteil nun Bundestag und Bundesrat umfassend informiert werden müssten. "Eine Schweigepflicht darf also nicht angemeldet werden – auch nicht von unserem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble als Mitglied im Gouverneursrat", sagte der CDU-Politiker. Willsch bezweifelte allerdings, ob sich das umsetzen lässt. "Denn wer etwas verschweigen will, wird darauf nicht besonders hinweisen", sagte er. Es bleibe zudem abzuwarten, wie die anderen europäischen Vertragspartner auf die Forderungen des Bundesverfassungsgerichts reagierten. "Falls die Vorbehalte des Verfassungsgerichts nicht berücksichtigt werden, darf die Ratifikationsurkunde nicht hinterlegt werden, das ist sicher", so Willsch.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 13.09.2012

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