Leutheusser-Schnarrenberger will Familien der Neonazi-Mordopfer entschädigen

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat eine Entschädigung für die Angehörigen der Neonazi-Mordopfer angekündigt.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Den Familien der Opfer gehört jetzt unsere Anteilnahme", sagte sie der "Welt am Sonntag". "Auch wenn finanzielle Hilfen das Leid nicht ungeschehen machen können, werde ich mit Opferentschädigungen aus meinem Haushalt versuchen, den Angehörigen ein Zeichen unserer Solidarität zu geben." Sie fürchte, dass am Ende der Aufklärung "noch mehr Opfer von Fremdenhass zu beklagen sind als heute bekannt", fügte die FDP-Politikerin hinzu.

"Wir schulden den Angehörigen der Opfer eine lückenlose Neubewertung." SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte, die Kronzeugenregelung auch zur Aufklärung rechtsextremistischer Gewalttaten einzusetzen. Die Strafmilderung durch diese Regel sei für das Rechtsempfinden vieler Menschen zwar nur schwer akzeptabel, sagte er der "Welt am Sonntag".

"Aber wir haben nirgendwo ein so großes öffentliches Interesse, etwas über die Kontakte zu Geheimdiensten zu erfahren" wie bei der Mordserie der Zwickauer Zelle. Die Umstände der Taten könnten nur über die Hauptverdächtige Beate Z. aufgeklärt werden. "Wenn wir die Kronzeugenregel hier nicht nutzen, müssen wir sie eigentlich ganz abschaffen", so der SPD-Chef.

Der Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, sagte der "Welt am Sonntag", die Regierung solle "die Fälle nicht nur neu zu zählen, sondern beim Thema rechtsextremistischer Gewalt auch neu denken". Es sei das Gebot der Stunde, sich stärker um die Hinterbliebenen zu kümmern. Auch sie seien Opfer von Hassverbrechen geworden und hätten einen Anspruch darauf, dass die rechtsextremen Hintergründe aufgeklärt werden.

Auch der Vorsitzende des Geheimdienstkontrollgremiums des Bundestages, Thomas Oppermann, hatte für die Opfer der rechtsextremistischen Terroristen von Zwickau Entschädigung gefordert: "Die Angehörigen der Opfer eines der schwersten Verbrechen, das in der Bundesrepublik passiert ist, haben auch Anspruch auf Unterstützung und Entschädigung", sagte Oppermann "Bild" am SONNTAG. Um den Hinterbliebenen Gewissheit über die Taten zu geben, begrüßt der SPD-Politiker eine Kronzeugenregelung für Beate Z., die einzige Überlebende der rechtsextremen Terrorzelle von Zwickau: "Ich halte eine Kronzeugenregelung in diesem Fall für erwägenswert." Es bestehe ein herausragendes öffentliches Interesse, die Struktur der Terrorzelle und ihrer Helfer genau aufzuklären. "Auch die Angehörigen wollen wissen, warum die Opfer sterben mussten", so Oppermann. Der Ausschussvorsitzende rechnet fest damit, dass der Bundestag ein Aufklärungsgremium zu den Ermittlungspannen im Fall der rechtsextremistischen Terrorzelle einsetzen wird: "Ich bin sicher, dass es entweder einen Untersuchungsausschuss, einen Sonderbeauftragten oder eine Expertenkommission geben wird." Oppermann hält die restlose Aufklärung des Falles für unabdingbar, um verlorenes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden wiederzugewinnen: "Dieses Verbrechen hat die Menschen in Deutschland tief erschüttert. Nur die Wahrheit kann das Vertrauen in unsere wehrhafte Demokratie und in einen Staat, der seine Bürger schützen kann, wieder herstellen." Noch gibt es für den Geheimdienstkontrolleur viele offenen Fragen in dem Fall der rechtsextremen Terroristen. "Das Ende der Täter bleibt für mich rätselhaft - wie viele andere Begleiterscheinungen dieser Mordserie auch", so Oppermann. "Die Selbsttötung ist die Arbeitshypothese der Ermittler. Wir müssen das Ergebnis der Untersuchungen abwarten." Weitere Ermittlungen fordert Oppermann auch in einer möglichen Verstrickung eines hessischen Verfassungsschutzmitarbeiters: "Eigenartig ist, dass ein rechtsradikal gesonnener Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes das Internetcafé wenige Sekunden vor dem Mord verlassen haben will. Dass das BKA diesen Vorgang noch einmal genau nachermittelt, erscheint mir sehr dringlich."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 20.11.2011

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