Magazin: Verfassungsschutz war bis 2001 offenbar detailliert über Neonazis informiert

Der Verfassungsschutz war offenbar wesentlich besser über die Neonazi-Terroristen im Untergrund informiert als bislang bekannt: So hätten die Beamten schon im Frühjahr 1999 verlässliche Hinweise gehabt, dass sich die Gesuchten in Chemnitz versteckt hielten und bewaffnete Überfälle plante.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Das räumt das Bundesamt für Verfassungsschutz in einem amtlich geheimgehaltenen Untersuchungsbericht ein, der kurz vor Weihnachten an die Bundesregierung ging und dem "Spiegel" vorliegt. Demnach sei der Verfassungsschutz den Neonazis mehrmals auf der Spur gewesen, versäumte es aber zuzugreifen. Bei den Ermittlern "verdichteten sich spätestens seit Mitte März 1999 die Informationen, dass sich die Gesuchten im Raum Chemnitz aufhalten sollen", heißt es in dem Untersuchungsbericht.

Die im Frühjahr 2000 gestartete "Operation Terzett" der Verfassungsschützer aus Thüringen und Sachsen führte die Observanten offenbar sogar bis zu einer Wohnung in der Bernhardstraße in Chemnitz, in der zwei mutmaßliche Unterstützer wohnten und die Uwe B. und Beate Z. besuchten. Aus dem Untersuchungsbericht geht auch hervor, dass die Verfassungsschützer schon früh Hinweise darauf gehabt hätten, dass das Trio im Untergrund kriminell aktiv war. Dabei belaste der Bericht den derzeit in Untersuchungshaft sitzenden Rechtsextremisten Ralf W. schwer.

Der V-Mann Tino B. meldete dem Verfassungsschutz im April 2001, W. habe eine Geldspende mit der Aussage abgelehnt, "nach seinen Informationen" brauchten die Untergetauchten kein Geld mehr, weil sie mittlerweile "schon so viele Sachen/Aktionen gemacht hätten". Die Ermittler gehen deshalb davon aus, dass W. zumindest zeitweise über die kriminelle Karriere im Untergrund informiert war. In dem Geheimbericht wird eine weitere Verbindung zwischen der NPD und dem Umfeld des Trios benannt, die eine Rolle bei einem neuen NPD-Verbotsverfahren spielen könnte.

Demnach habe der spätere stellvertretende Landesvorsitzende der NPD-Nachwuchsorganisation "Junge Nationaldemokraten", Carsten S., 1999 als Kontaktperson in den Untergrund fungiert. Der Verfassungsschutz bezichtigt ihn, Geld nach Sachsen für das Leben in der Illegalität überwiesen zu haben. "Die Sicherheitsbehörden haben systematisch versagt", sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Thomas Oppermann.

"Was wir brauchen, ist eine fundamentale Veränderung der Arbeit." Oppermann schlägt eine "intelligente Kombination eines Untersuchungsausschusses mit einer Bund-Länder-Kommission" vor, von der sich die SPD eine umfassende Aufarbeitung und eine "reinigende Wirkung" verspricht.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 31.12.2011

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