McKinsey-Energiewende-Index: Ziele kaum noch erreichbar

Die Erfolgsaussichten der Energiewende haben sich im vergangenen Vierteljahr weiter verschlechtert.

Frankfurt/Main (dts Nachrichtenagentur) - Das geht aus dem neuen "Energiewende-Index" der Unternehmensberatung McKinsey hervor. Er liegt der "Welt" exklusiv vor. Der Bericht der Berater kommt dem "Monitoringbericht" zuvor, den die Bundesregierung als eigene Zwischenbilanz in der kommenden Woche veröffentlichen will.

McKinsey, eine der weltweit renommiertesten Beratungsfirmen, hat den Grad der "Zielerreichung" in der Energiepolitik anhand von 15 quantifizierbaren Kriterien gemessen. Ernüchterndes Fazit: Nur fünf der 15 energiepolitischen Ziele der Bundesregierung können nach derzeitigem Stand erreicht werden. In zwei Punkten ist die Zielerreichung kritisch und bedarf dringend der Nachsteuerung.

"Zielerreichung unrealistisch" heißt das Urteil bei acht der 15 energiepolitischen Maßnahmen. Gegenüber September, als der Index-Wert zum ersten Mal gemessen wurde, gibt es keine nennenswerten Verbesserungen, allerdings in vielen Punkten deutliche Verschlechterungen. Als positive Veränderung registriert McKinsey im wesentlichen nur eine Entwicklung: Der Zubau von Ökostrom-Anlagen, vor allem der Fotovoltaik.

So sei das offizielle Ausbauziel für Solaranlagen derzeit "um 45 Prozent übererfüllt". Diese isoliert betrachtet positive Entwicklung zieht allerdings negative Folgen bei anderen Indikatoren nach sich, etwa bei den Kosten der Netzeingriffe und der EEG-Umlage. Im Punkt "Versorgungssicherheit" wurden die Ziele allerdings deutlich verfehlt.

So erhöhten sich etwa die Kosten für Netzeingriffe um das Dreifache, stellt McKinsey fest. Auch die "gesicherte Reserve-Marge" im Kraftwerkspark ist drastisch, von plus 6,6 Prozent auf einen Wert unter Null gefallen. Inwieweit dafür auch eine Definitionsänderung des Verbandes der europäischen Stromnetzbetreiber, ENTSO-E, verantwortlich sei, müsse noch geprüft werden, heißt es in dem Bericht. Bestätigen sich die Berechnungen der Netzbetreiber, wären nur noch vier von 15 Energiewende-Zielen erreichbar. Das Ziel der Wirtschaftlichkeit wird immer deutlicher verfehlt: Die Haushaltsstrompreise in Deutschland liegen bereits 32 Prozent über dem EU-Durchschnitt, heißt es im McKinsey-Bericht. Im kommenden Jahr werden die Deutschen schon 45 Prozent mehr bezahlen als ihre europäischen Nachbarn. "Der weitere Ausblick ist ungünstig" heißt es im Gutachten dazu: "Der Ausbau insbesondere von Fotovoltaik und Offshore-Wind wird zu erneuten Umlage-Erhöhungen - mittelfristig auf über 6 Cent pro Kilowattstunde - führen, sofern das aktuelle Umlagesystem in Kraft bleibt." Zum Jahreswechsel steigt die EEG-Umlage bereits um mehr als 50 Prozent auf rund 5,3 Cent pro Kilowattstunde. Der Industrie geht kaum besser: Ende 2011 lag der deutsche Industriestrompreis 20 Prozent über dem EU-Durchschnitt. "Seit 2008 hat sich der Abstand mehr als verdoppelt", warnen die Energieexperten. Neben den direkten Zusatzkosten könnten "weitere, enorme Kosten durch eine Absenkung der Versorgungssicherheit entstehen", heißt es weiter. Insbesondere die Tatsache, dass immer mehr konventionelle Kraftwerke aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit vor der Betriebsaufgabe stehen, könnte zu erheblichen Belastungen führen. "Derzeit operieren circa 10 bis 20 Gigawatt des steuerbaren Kraftwerksparks an der Ertragsgrenze", warnen die McKinsey-Autoren. "Eine Abschaltung durch die Betreiber aus wirtschaftlichen Gründen kann zu Versorgungsengpässen und im Extremfall zu Stromausfällen führen." Die Kosten eines Blackouts zu beziffern, sei schwierig, stellt McKinsey fest. Die Berater verweisen auf Zahlen aus dem Bundeswirtschaftsministerium, die eine Schadenshöhe von 6,50 Euro pro Kilowattstunde bei einem Blackout annehmen: "Ein Blackout von nur einer Stunde in ganz Deutschland würde danach einen Schaden von mindestens 430 Millionen Euro nach sich ziehen." Trotz der kritischen Ergebnisse des Energiewende-Index sind die McKinsey-Berater überzeugt, dass die Ziele der Energiewende in Deutschland prinzipiell richtig sind, der bisherige Weg aber geändert werden müsse. Die Chancen der Energiewende begründen sich unter anderem darin, dass der internationale Energiebedarf McKinsey-Prognosen zufolge bis 2050 um mehr als die Hälfte zunehmen wird - damit werden voraussichtlich auch die Rohstoffpreise steigen.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 04.12.2012

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