Merkel: "Ich hätte nie einen Freund verraten"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit an ihr Leben in der ehemaligen DDR erinnert.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "In der DDR hatte ich immer das Gefühl gehabt, nicht bis an die Grenzen meiner eigenen Leistungsfähigkeit gehen zu können. Mal war der Computer nicht gut genug, mal konnte man nicht reisen, immer war irgendetwas, das als Entschuldigung diente, weil man ja nun mal nicht konnte, wie man wollte. Und nun plötzlich stimmten alle äußeren Umstände, ich habe bis zur Erschöpfung gearbeitet und bin dadurch an meine eigenen Grenzen gestoßen. Da gab es keine Ausreden mehr, und das fand ich damals und finde ich heute noch ein grundsätzlich schönes Gefühl", erklärte Merkel im Interview mit der "Bild am Sonntag". Auf die Frage hin, welchen Preis sie um des lieben Friedens willen mit dem SED-Staat nie gezahlt hätte antwortete Merkel: "Ich hätte nie einen Freund verraten. Ich hätte nie bei der Stasi mitgemacht und andere verpfiffen. Ich habe oft geschwiegen, aber ich habe nur ganz selten etwas gesagt, was ich eigentlich nicht vertreten konnte." Ohne den 9. November 1989 wäre aus der heutigen Bundeskanzlerin wahrscheinlich eine "redliche Wissenschaftlerin mit einem spannenden Leben" geworden, "soweit dies unter den Bedingungen einer Diktatur möglich gewesen wäre", so Merkel. Am Abend des 3. Oktober 1990 habe die Kanzlerin "neben der Freude auch eine gewisse Leere" empfunden.

Für die nächsten 20 Jahre wünsche sich Merkel, "dass sich ein junger Mensch nicht mehr nach Ost oder West definiert, sondern dass wir einfach sagen: Wir sind Thüringer oder Sachsen, so wie Westfalen oder Bayern."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 03.10.2010

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