Monopolkommissions-Chef warnt Politik vor Verfassungsbruch bei Tarifeinheit

Der Vorsitzende der Monopolkommission, Justus Haucap, hat die Politik davor gewarnt, mittels einer gesetzlichen Regelung die Tarifeinheit wiederherzustellen, um Arbeitskämpfe von konkurrierenden Gewerkschaften in einem Betrieb zu verhindern.

Düsseldorf (dts Nachrichtenagentur) - "Ein Zwang für Minderheiten, sich der Mehrheitsgewerkschaft anzuschließen oder das Verhandlungsmandat zwangsweise aufzugeben, wäre kaum grundgesetzkonform, da es die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie verletzen würde. Diese gilt nämlich auch für Minderheiten", sagte Haucap "Handelsblatt-Online". Auch die Rechte von Kleinstgewerkschaften müssten geschützt werden, betonte der Direktor des Instituts für Wettbewerbsökonomie an der Universität Düsseldorf.

Wer nicht beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) mitmachen wolle, dürfe auch nicht dazu gezwungen werden. "Denn grundgesetzlich sind sowohl die positive Koalitionsfreiheit geschützt - Arbeitnehmer dürfen sich in Gewerkschaften zusammenschließen und kollektiv Löhne verhandeln - als auch die negative Koalitionsfreiheit - jeder hat auch das Recht, einer bestimmten Gewerkschaft fernzubleiben und eine andere Gewerkschaft zu gründen", erläuterte Haucap. Dessen ungeachtet hält auch Haucap die "Machtanballung bei Kleinstgewerkschaften" für ein Problem.

Er regte an, über eine Änderung des Streikrechts gegen Gewerkschaften vorzugehen, die mit ihrer monopolartigen Macht nicht verantwortungsvoll umgehen. "Es ist zu überlegen, eine Kontrolle dieser Monopolmacht einzuführen, zum Beispiel indem das Streikrecht für Spartengewerkschaften angepasst wird", sagte Haucap. Hier gehe es darum, die Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Ein Streik müsse immer verhältnismäßig sein, wobei auch der Schaden zu berücksichtigen sei, der unbeteiligten Dritten bei einem Streik entsteht. "Denkbar wäre auch, eine explizite Missbrauchskontrolle einzuführen", fügte Haucap hinzu. "Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn Verbraucher oder andere unbeteiligte Dritte bei einem Streik keine Ausweichmöglichkeiten haben."

Der Wettbewerbsökonom machte den DGB und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für die "Zerfledderung" der Tariflandschaft verantwortlich. "Die Spartengewerkschaften sind fast alle als Alternative zu Verdi entstanden", sagte Haucap. Nach dem Zusammenschluss der Gewerkschaften Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Handel Banken und Versicherungen (HBV), die IG Medien, die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) zu Verdi sei es immer schwieriger geworden, den sehr heterogenen Interessen der Mitglieder gerecht zu werden. "Es ist daher verständlich, wenn einzelne Gruppen sich nicht mehr durch Verdi repräsentiert fühlen und alternative Gewerkschaften gründen." Die Lösung für Verdi könne aber nicht darin liegen, so Haucap, "die Politik zu bitten, anderen Gewerkschaften das Leben schwer zu machen, damit Verdi wieder attraktiver wird". Hier seien auch die etablierten Gewerkschaften selbst gefordert, wieder attraktiver für eine Mitgliedschaft zu werden.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 03.03.2012

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