Moskauer Kunsthistorikerin: Punkband "Pussy Riot" rüttelt an Putins "Gottgesandheit"

Der Skandal um eine Kunstaktion der Punkband Pussy Riot in der Moskauer Erlöser-Kathedrale kratzt nach Ansicht der Moskauer Kunsthistorikerin Ekaterina Degot an der "Gottgesandtheit", die in Russland traditionell Herrschern unterstellt wird – eine Vorstellung, die bis in die heutige Zeit nachwirkt.

Moskau (dts Nachrichtenagentur) - Im Gespräch mit der Tageszeitung "Die Welt" (Donnerstagausgabe) sagte Degot: "Ich glaube, dass Pussy Riot einen besonders wunden Punkt getroffen haben: die Verbindung von Kirche und Macht. Die Reaktionen fallen aus, als sei Putin Gott. Wie im byzantinischen Reich, wo der Herrscher von Gott gesandt war."

Die alte im Zarenreich übliche Verbindung von Kirche und Staat funktioniere heute wieder – Wladimir Putin und Dmitri Medwedjew seien, neben Touristen, die einzigen Menschen, die vor einigen Jahren wieder aufgebaute Erlöser-Kathedrale besuchten. "Die Kirche ist in Russland nicht nur dekoratives Accessoire, sondern auch eine wichtige Stütze politischer Macht. Pussy Riot brachen die symbolische Ordnung, das war für Kirche und Politik nicht tolerierbar."

Die jungen Frauen der Band waren nach einer Aktion, in der sie die Muttergottes aufgerufen hatten, Russland von Putin zu erlösen, verhaftet worden. Ihnen droht eine lange Gefängnisstrafe. Degot, die Professorin an der Rodchenko-Schule für Fotografie und Neue Medien in Moskau ist, erklärt erklärt die Aufregung auch mit einem besonderen Paradoxon von Religion und Politik im post-sowjetischen Russland: Obwohl die meisten Russen sich als "orthodox" bezeichnen würden, glaubten die wenigsten davon an Gott.

Der "Welt" sagte sie: "Russisch-orthodox gilt als Art nationaler Identität, nachdem die kommunistische nicht mehr gilt."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 05.04.2012

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