Nahost-Experte Scholl-Latour kritisiert europäische Haltung gegenüber arabischen Revolutionen

Der Nahost-Experte Peter Scholl-Latour hat die seiner Meinung nach "ratlose Haltung" der Europäer gegenüber den Revolutionen im arabischen Raum kritisiert.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - In einem Beitrag für das Nachrichtenmagazin "Focus" schreibt Scholl-Latour, angesichts der sich abzeichnenden Entwicklungen werde sich die "ursprüngliche Begeisterung des Westens über den Arabischen Frühling schnell eintrüben". Der Experte wirft den westlichen Regierungen vor, angesichts der "völkerrechtswidrigen Invasion gegen die revoltierende Insel Bahrain durch saudische Panzerkolonnen" nicht protestiert zu haben. "An dieser Stelle", so Scholl-Latour, "hüllen sich die westlichen Prediger von Menschenrechten und freier Volksentscheidung in das bislang praktizierte heuchlerische Schweigen".

Scholl-Latour warnt davor, dass die Türkei die Entwicklungen nutzen könnte, um ihren Machtbereich auszudehnen. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan scheine "an die Größe des Osmanischen Reiches anknüpfen zu wollen". Eine sich abzeichnende Achse Ankara-Kairo könne sich zunehmend gegen Saudi-Arabien richten.

Ziel wäre dann der "ungeheuerliche Erdölreichtum dieses Königreichs, der bislang zur schamlosen Erpressung und Korrumpierung all jener Staaten, der USA zumal, benutzt wurde, deren Energiebedarf nicht zu sättigen ist". Für Europa geriete der "Übergang des Arabischen Frühlings oder des arabischen Herbstes in einen frostigen arabischen Winter zu einer Belastung, der der zerstrittene Kontinent nicht gewachsen wäre". Scholl-Latour weiter: "Das Abendland ist in keiner Weise gewappnet, den arabischen Ungewissheiten mit Gelassenheit, Selbstbewusstsein, Sachkenntnis und auch mit der nötigen Sympathie zu begegnen."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 23.10.2011

Zur Startseite