Oberster deutscher Jesuit fordert Umdenken der Kirche wegen Missbrauchsfällen

Ein Jahr nach Enthüllung der Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg hat der oberste deutsche Jesuit, Stefan Kiechle, ein Umdenken in der katholischen Kirche gefordert.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Gegen allen Triumphalismus und alle Besserwisserei" müsse die katholische Kirche verinnerlichen, dass sie "sündig" sei, schreibt Kiechle in einem Beitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt". Der Pater wandte sich gegen Tendenzen, die Kirche als Opfer der Medien darzustellen: "Die Kirche ist in dieser Situation nicht Opfer von Verfolgung, sondern sie steht auf der Täterseite und braucht Vergebung und Umkehr." Kiechle ist seit September Provinzial der Jesuiten in Deutschland.

Der Ordens-Obere sprach sich darüber hinaus für eine Geldzahlung an die Opfer aus, "die den Zahler wirklich etwas kostet und dem Empfänger symbolisch etwas gibt". Seelisches Leid könne nie abbezahlt werden. Doch in der Kirche hätten manche nicht verstanden, warum Sühne notwendig sei.

"Die Kirche würde ihr Innerstes aufgeben, wenn sie sich um dieses Zeichen drückt." Nur so sei Heilung möglich. "Äußerst bedauerlich ist, dass Gesellschaft und Kirche so lange brauchen, sich auf konkrete Schritte zu einigen", schreibt der Jesuit.

Damit nahm er indirekt Bezug auf das Angebot der deutschen Bischöfe, Opfern Hilfe etwa durch die Finanzierung von Therapien oder einen Vorsorgefonds zu leisten. Die Bischöfe haben es bisher vermieden, eine konkrete Entschädigungssumme zu nennen. In dem Beitrag stellt der Pater auch Strukturen der Kirche in Frage.

Er denke an "die Lebensweise" der Priester. Auch wenn sie direkt nichts mit Missbrauch zu tun habe, ziehe sie "bisweilen Männer an, die mit ihrer Sexualität nicht zurecht kommen". Für diskussionswürdig hält der Pater auch die Haltung der Kirche zur Sexualität, "die leicht ein Doppelleben zwischen hohem Anspruch und gelebter Realität erzeugt und darüber zu Schuldgefühlen führt, für die es kaum Hilfe gibt".

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 19.01.2011

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