Oettinger stellt Praxis der Sanktionen gegen EU-Schuldensünder-Länder in Frage

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) hat die bisherige Praxis der Sanktionen gegen EU-Schuldensünder-Länder in Frage gestellt.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - In einem Interview der "Bild"-Zeitung (Freitagausgabe) sprach sich Oettinger dafür aus, die Sanktionen so zu verändern, dass sie für Regierungen eine "Zumutung" wären. So sollten z.B. die Flaggen der betroffenen Länder vor den EU-Gebäuden auf Halbmast gesenkt werden. "Ich habe Zweifel, ob die bisher vorgeschlagenen Sanktionen wirklich zielführend sind", sagte Oettinger.

Es mache wenig Sinn, einem Staat mit Geldstrafen zu drohen, wenn er die Verschuldungskriterien erneut nicht einhalten kann. "Man kann doch einem nackten Mann nicht in die Tasche greifen." Am Ende steige durch Geldstrafen sogar die Verschuldung "und die anderen Länder zahlen über die Rettungspakete auch noch die Sanktionen".

Dagegen wären "Maßnahmen, für die sich Regierungen gegenüber ihren Bürgern rechtfertigen müssten", viel sinnvoller, sagte der EU-Kommissar. "Denkbar wäre z.B., dass Länder ihre Haushaltshoheit auf Zeit an die EU abgeben müssten. Das wäre eine echte Zumutung für jede Regierung und würde übermäßige Schuldenmacher ausbremsen."

Denkbar sei auch, "die Flaggen von Schuldensündern vor den EU-Gebäuden auf Halbmast zu setzen", sagte Oettinger. "Das wäre zwar nur ein Symbol, hätte aber einen hohen Abschreckungseffekt." Zudem hat Oettinger die Schuldenpolitik der westlichen Länder scharf kritisiert.

"Man muss den Bürgern klar sagen: Das Politikmodell der westlichen Welt, Wohlstand mit immer höheren Schuldenbergen zu finanzieren, ist zu Ende", sagte Oettinger in der "Bild". Die Schulden der EU-Staaten seien "enorm hoch", betonte der EU-Kommissar. Griechenland mache mit seinen 370 Milliarden Euro Schulden "nur einen verschwindend kleinen Teil aus". Oettinger: "Die EU-Staaten erwirtschaften im Jahr zusammen 12.000 Milliarden Euro, haben aber 10.500 Milliarden Euro Schulden. Die Verschuldung liegt also bei 85 Prozent der gesamten Wirtschaftskraft. Das ist nicht mehr finanzierbar." Oettinger warnte seine Partei CDU zugleich davor, die Einführung gemeinsamer Staatsanleihen der Euro-Staaten - also Eurobonds - auszuschließen. Eurobonds wären zur Lösung der aktuellen Probleme der falsche Weg, sagte der EU-Kommissar. "Ich wehre mich aber dagegen, sie für alle Zeiten auszuschließen. Es kann Situationen in der Zukunft geben, in denen gemeinsame Anleihen der Euro-Länder die richtige Lösung zur Staatsfinanzierung sein könnten. Deshalb rate ich meiner Partei, Eurobonds nicht rundweg abzulehnen."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 09.09.2011

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