Parteienforscher: Koalition muss bei Spitzentreffen Handlungsfähigkeit beweisen

Nach Einschätzung des Parteienforschers Gerd Langguth wäre es ein "schlechtes Omen" für die Bundestagswahl, wenn CDU, CSU und FDP bei ihrem Spitzentreffen am Sonntagabend nicht zu konkreten Entscheidungen kommen.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Nachdem sich die Koalition in den letzten Monaten in vielen Fragen nicht als entscheidungsfähig erwiesen hat, erwarte ich jetzt, dass sie den Beweis erbringen will, dass sie noch handlungsfähig ist", sagte der Professor an der Universität Bonn "Handelsblatt-Online". Die SPD mache mit ihrem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück bereits Wahlkampf. "Auch deshalb ist die Koalition aus drei Parteien unter Druck."

"Käme es nicht zu Entscheidungen, wäre das ein großer Reinfall für die gesamte Koalition", sagte Langguth weiter. Es steht dabei zwar auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, vor allem aber FDP-Chef Philipp Rösler unter Druck, zumal die Liberalen das Betreuungsgeld bisher ablehnten. "Doch dieses Thema ist für die CSU identitätsstiftend und wichtig, zumal es bei den Koalitionsverhandlungen zu Beginn der Regierungsbildung im Prinzip beschlossen worden war", sagte der Politikwissenschaftler.

Die Bilanz der FDP in dieser Koalition sei dagegen "relativ bescheiden", zumal sie sich mit ihrer Hauptzielsetzung, der Steuerentlastung, kaum habe durchsetzen können. "Für die FDP wird es deshalb darauf ankommen, dass ihre Handschrift bei den Entscheidungen des Koalitionsausschusses erkennbar ist." Hinzu kämen noch "Inner-FDP Scharmützel", da die Autorität des Parteivorsitzenden Rösler "ziemlich angegriffen" sei.

"Kein gutes Zeichen ist, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble an dem Koalitionsausschuss nicht teilnehmen kann, da er im Ausland sein muss." Langguth geht davon aus, dass bei den Themen Praxisgebühr, Betreuungsgeld und Rente vermutlich keine Partei ihre jeweilige Idealvorstellung durchbringen könne. Dies mache Kompromisse notwendig.

"Die Koalition wird sich dabei mit dem Vorwurf des Kuhhandels in der Politik auseinandersetzen müssen, wenn etwa das Betreuungsgeld mit der Praxisgebühr aufgewogen wird, obschon beide Themen in der Sache nichts miteinander zu tun haben", sagte der Experte. Auch die Rente sei ein "heißes Eisen", nicht nur in der SPD. In der Union habe es zuletzt verhärtete Fronten gegeben, weil immer neue und nicht bezahlbare Forderungen eingebracht worden seien. "Wie soll Altersarmut verhindert werden? Hierauf muss der Koalitionsausschuss eine Antwort geben", unterstrich Langguth. "Eine Nichtentscheidung wäre ansonsten eine Steilvorlage für die SPD."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 04.11.2012

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