Parteienforscher rechnen mit weiteren Rücktritten wegen Edathy-Affäre

Nach Einschätzung mehrerer Parteienforscher drohen durch die Affäre um die Kinderpornografie-Ermittlungen gegen den SPD-Politiker Sebastian Edathy unabsehbaren Folgen: Nachdem Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bereits die politische Verantwortung für die Affäre übernommen habe, seien nun weitere Rücktritte möglich.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Je nach Ausgang der Ermittlungen der Hannoveraner Staatsanwaltschaft könnten auch mehrere führende Politiker der SPD zu diesem Schritt gezwungen sein", sagte der Bamberger Politikwissenschaftler Thomas Saalfeld "Handelsblatt-Online". "Dann hätten wir eine ernsthafte Koalitionskrise und eine Führungskrise in der SPD." Unabhängig davon sieht Saalfeld das Verhältnis der Regierungspartner schwer belastet.

"Koalitionsregierungen sind durch eine Mischung von Motiven der handelnden Personen und Parteien gekennzeichnet", erläuterte er. Einerseits hänge der Erfolg der Koalition insgesamt von einem geschlossenen Auftreten ab, andererseits müssten die Koalitionsparteien ihr Profil wahren und stünden dabei in Konkurrenz. "In dieser Lage ist persönliches Vertrauen der handelnden Personen von ganz besonderer Bedeutung für den Erfolg der Koalition", sagte der Parteienforscher und fügte hinzu: "Dieses Vertrauen könnte durch die Ereignisse erschüttert worden sein."

Für den Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter steht außer Frage, dass eine "tiefere Vertrauens- und Kommunikationskrise" unvermeidlich sein dürfte - vor allem zwischen CSU und SPD. "Das erschwert Kompromissbildungen und das Regieren", sagte Oberreuter. Oberreuter geht von einem vielfachen Fehlverhalten in der Affäre aus: Am Anfang der Kette stehe Friedrich, dann komme aber gleich Gabriel, der dann Oppermann und Steinmeier einbezogen habe.

"Das sich die Angriffe auf Oppermann konzentrieren, könnte auf die Absicht schließen lassen, Gabriel zu schonen - also die Krise nicht auf die höchste Ebene zu tragen." Der Berliner Politikwissenschaftler Gero Neugebauer sieht die Sozialdemokraten in der Defensive, sollte Oppermann ebenfalls über den Fall Edathy stürzen. "Ein Rückzug von Herrn Oppermann würde es der SPD schwer machen, ihr Selbstverständnis von einer Koalition von Partnern, die sich "auf Augenhöhe" begegnen, aufrecht zu erhalten, wenn sie der von Frau Merkel bislang nicht unterstützen Forderung des kleinsten Koalitionspartners nachgeben würde", sagte Neugebauer.

Verwundert reagierte Neugebauer auf den Umstand, dass die Rolle von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei den Vorgängen kaum eine Rolle spielt. "Wieso wird eigentlich nicht ausführlicher die Frage beantwortet, was Frau Merkel von wem zu welcher Zeit erfahren hat, wie die erste Information - von ihr oder für sie - bewertet wurde und was zu einer Änderung der Bewertung innerhalb eines halben Tages geführt hat, die dann Friedrich das Amt kostete?", fragte der Parteienforscher.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 17.02.2014

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