Piloten sehen erhöhtes Unfallrisiko durch längere Flugdienstzeiten

Die geplante Ausweitung von Flugdienstzeiten bringt Piloten in Europa in Rage, da sie dadurch ein erhöhtes Unfallrisiko sehen.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Diese Regelung ist der größte Rückschritt in der Flugsicherheit seit dem Zweiten Weltkrieg", sagt Jörg Handwerg, Sprecher der VC der "Welt". Außerdem widerspreche das Vorhaben der EASA allen gängigen wissenschaftlichen Studien. "Wir prüfen, ob wir juristische Schritte einleiten, sollte die Verlängerung wirksam werden", sagte Handwerg.

Die Behörde folge einseitig den wirtschaftlichen Interessen der Airlines, werfen die Piloten der EASA vor. Die europäische Behörde mit Sitz in Köln wagt sich mit ihrem Vorstoß an ein heißes Thema. Denn nach dem Willen der Beamten sollen Cockpit-Besatzungen nachts bis zu elf Stunden am Stück fliegen dürfen, obwohl drei unabhängige Gutachten, die die EASA selbst in Auftrag gegeben hatte, eine maximale Dienstzeit von zehn Stunden empfehlen.

So lange darf heute nachts geflogen werden. Am Tag dürfen Piloten in Europa bis zu 15 Stunden am Stück fliegen, dieses Limit soll auf 16 Stunden erhöht werden. Gleichzeitig möchte die Behörde die Ruhezeiten zwischen solchen Einsätzen von zehn Stunden auf 7,5 Stunden herabsetzen.

Durch eine neue Regelung des Bereitschaftsdienstes soll es dann möglich sein, dass Piloten bis zu 22 Stunden wach sein können, bis sie einen voll besetzten Passagierjet landen können. "Ich möchte nicht in einem Jet hinten sitzen, wo die Kollegen total übermüdet sind", sagt Handwerg. Die Gewerkschaft protestiert auch in einem Brandbrief an Verkehrsminister Jürgen Ramsauer gegen das Vorhaben.

Er liegt der "Welt" vor. So schreibt der VC-Vorsitzende Winfried Streicher an den CSU-Politiker, dass die geplante Ausweitung "nach den neuen amerikanischen Flugdienst- und Ruhezeitenregelungen illegal" sei. Streicher weist auch auf die erhöhte Crash-Gefahr hin: "Unfallanalysen haben belegen können, dass ab einer Flugdienstzeit von 12 Stunden das relative Risiko eines Unfalles stark ansteigt und bei über 13 Stunden das 5,5-fache beträgt im Vergleich zu neun Stunden." Ein "konsequentes Beachten dieser Erkenntnisse" sei "unabdingbar", so Streicher, um "übermäßige Erschöpfung und somit die Gefährdung der Passagiere zu vermeiden". Die europäische Piloten-Vereinigung Eurocockpit müht sich ebenfalls seit Monaten, die Ausweitung der Dienstzeiten abzuwehren - vergebens. Auch eine Internet Kampagne auf der Seite www.flugdienstzeiten.de blieb ohne den gewünschten Erfolg. "Jede Maßnahme für mehr Flugsicherheit wird einer Wirtschaftlichkeitsüberprüfung unterzogen", klagt Handwerg. Die Flugzeugführer argwöhnen, dass sich die Behörde, die eigentlich für Sicherheit im Luftverkehr sorgen sollte, eher für den reibungslosen Betrieb der Airlines zuständig fühlt. Gern verweisen die Interessenverbände auf die unausgeglichene Haushaltsstruktur der EASA: Mehr als die Hälfte, nämlich über 90 Millionen Euro, steuern die Fluglinien und Hersteller über Gebühren und Abgaben bei. Auch gebe es zwischen Wirtschaft und Behörde einen regen Personalaustausch, der nach Ansicht der Piloten nicht gerade zur Objektivität der Aufsichtsbehörde beiträgt. So sehen die Vertreter der Cockpit-Besatzungen etwa kritisch auf den EASA-Manager Jean-Marc Cluzeau, der für die Verlängerung der Flugdienstzeiten in der Behörde verantwortlich ist. Direkt davor war Cluzeau auf der anderen Seite beschäftigt - als Leiter der Abteilung Flugsicherheit bei Air France.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 13.03.2012

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